Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wigges Tauschrausch

Wigges Tauschrausch

Titel: Wigges Tauschrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wigge
Vom Netzwerk:
Nachbarstamm, den Datogas, in der Regel diesen Honig gegen Pfeilspitzen eintauschen. Die Hadzabe haben nämlich keine Möglichkeit, Metall zu bearbeiten.
    Der zweite Teil der Jagd wird noch ungemütlicher alsder erste, da wir uns durch dichtes Gebüsch schleichen müssen. Für die 1,50 Meter großen Hadzabe-Männer kein Problem, aber für einen 1,85 Meter großen Deutschen, der immer noch von starken Rückenschmerzen geplagt wird, ist es ein ziemlich uncooles Unterfangen. So quetsche ich mich unter Ästen hindurch, während ich immer mehr den Anschluss verliere. Schnell weiß ich nicht mehr, ob die Männer sich auf meiner linken oder rechten Seite, vor oder hinter mir befinden. Ich bekomme Angst und Paranoia, dass mich plötzlich einer ihrer (Gift-)Pfeile treffen könnte. Also rufe ich nach Onuas, wenig später kommt Onuas’ achtjähriger Enkel zu mir durch das Gebüsch gelaufen und fängt mich wieder ein. Während ich mit den Zweigen und meinem Rücken gekämpft habe, hat der kleine Enkel einen Vogel und ein Eichhörnchen geschossen, die er mir stolz zeigt.
    Kurze Zeit später sitzen wir alle am Lagerfeuer, um die spärliche Ausbeute gegrillt zu essen. Nach einem Biss ist mein Anteil dann auch schon verschwunden. Ich biete Onuas meine Streichhölzer an, als wir gemeinsam mit zwei Holzstöckchen versuchen, das ausgegangene Feuer wieder anzuzünden. Doch er lehnt ab und möchte bei der traditionellen Methode bleiben. Bei den Hadzabe steht Tradition in der Werteskala höher als technische Errungenschaften: das Leben unterm Baum und nur mit Pfeil und Bogen als freie Entscheidung.
    Später stehen wir am Jeep von Honorarkonsul Ulf. Ich biete Onuas an, für eine Spritztour Platz zu nehmen. Er schaut etwas verwundert, da er wohl noch nie von Motorkraft fortbewegt wurde. Die Fahrt durch den Busch findet er aber toll und stimmt ein Liedchen dazu an. Ich frage ihn, ob er ein Auto, anders als Streichhölzer, dann doch annehmen würde. Onuas erklärt mir, dass so ein Autoschon toll sei, da man damit viel schneller zur Wasserstelle käme, wofür die Frauen für Hin- und Rückweg von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang brauchen. Aber dann lehnt Onuas diese Hilfe genauso wie die Streichhölzer ab. Er erklärt mir, dass neben Tradition auch Natürlichkeit ganz oben auf der Wertskala der Hadzabe stehe. Also alles, was nicht traditionell und nicht natürlich ist, gilt bei den Hadzabe als relativ uncool. So steigen Onuas und ich wieder aus dem Jeep aus, ohne dass er dem Wagen einen weiteren Blick schenkt.
    Als wir bei einer Abschiedspfeife wieder unter dem Baum sitzen, beobachte ich einen weiteren Hadzabe-Mann mit einer sehr auffälligen Fellmütze. Er erklärt mir, dass es eine Affenschwanzmütze sei, die nur aus Affenschwänzen bestehe, die er selbst geschossen habe. Weiter erzählt er, dass eine Affenschwanzmütze bei den Hadzabe-Frauen ziemlich gut ankäme, da sie für Männlichkeit stehe. Ich bin beeindruckt und denke an meinen Tauschrausch. Schließlich bin ich im Tauschen mittlerweile schon geübt und biete ihm meine Kappe im Tausch gegen die Affenschwanzmütze an. Keine Chance! Er erklärt mir, dass die Affenschwanzmütze nicht getauscht werden dürfe.
    Ich erkenne, dass ich hier tauschend nicht weiterkomme, und bedanke mich bei allen Stammesmitgliedern für den tollen Einblick in ihre Kultur. Zum Abschied singen alle Stammesangehörigen mir ein Lied, und ich werde in einen Hadzabe-Abschiedstanz eingebunden, bei dem Onuas die Strophen vorsingt und die restlichen Dorfbewohner sie mit einem Refrain beantworten. Alle Dorfmitglieder singen, tanzen und klatschen im Kreis. Als die Stimmung sich aufheizt, springen die ersten Männer in den Kreis, um zu tanzen. Der Tanzstil hat etwas von Breakdance, vielleicht nicht ganz so durchchoreografiert. Ich springe mit in denKreis und spüre eine tiefe Freude darüber, diesen unvergesslichen Moment miterleben zu dürfen.
    Dann fahre ich weiter zu den Massai, obwohl mein Herz noch bei den Hadzabe ist. Der Massai-Stamm ist international viel bekannter als die Hadzabe oder Datoga, nicht zuletzt durch einschlägige Lektüre wie Die weiße Massai . Ich habe bei meinen Recherchen herausgefunden, dass die Tauschkultur bei den Massai noch viel ausgeprägter als bei anderen Stämmen sein soll.
    Daher halte ich in einem ihrer Dörfer, die aus kleinen Lehmhütten mit minikleinen Schlitzen als Fensterluken bestehen. Auch hier werde ich wieder fröhlich musikalisch begrüßt. Allerdings ausschließlich von

Weitere Kostenlose Bücher