Wigges Tauschrausch
gerade nicht so gut sei, aber Hilde grinst und erklärt mir, dass sie die Münzen gerne behalten würde. Ich bin ziemlich erleichtert und bespreche mit ihr sofort die Gegenleistung.
Sie bietet mir einen Reisegutschein für zwei Leute an, die auf Hildes Kosten eine dreiwöchige Abenteuerreise durch Tansania machen können. Nach gerade mal drei Minuten Verhandlung haben wir ein Reisepaket zusammengestellt, das es dem interessierten Tauschwilligen ermöglicht, meine eigene Tansania-Reise nachzuerleben. Schließlich fasse ich das Ergebnis in Form einer Collage auf einem großen Plakat zusammen.
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Reisegutschein auf Wigges Spuren im Wert von 10000 US-Dollar/7000 Euro
Für 2 Personen:
Flüge nach Tansania
6 Tage Kilimandscharo-Besteigung mit meinem Waldhorn und der Lederhose – Eric wird auch mit von der Partie sein
Ein Wildlife-Safari-Tag
Besuch der Hadzabe, Massai und Datoga; inklusive gemeinsamer Jagd-Übernachtungen in meinem (fensterlosen) Zimmer 108 mit selbstgefertigten Wandmalereien
Höhentraining mit meinem Stirnband inklusive Mango-Stemmen auf dem Markt in Arusha; Besuch des Massai-Wahrsagers
Original Kaffeesäcke-Tragen beim Kaffeeproduzenten
Tansanit-Händler treffen und sich über den Tisch ziehen lassen
Dauer der Reise knapp drei Wochen
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Ich bin absolut begeistert über diese Entwicklung. Mit diesem Tausch habe ich den Wert von Gold, Silber und Kaffee verdoppelt und das, obwohl ich ihn noch vor kurzer Zeit bei Hans Günther mit dem gezinkten Edelstein fast halbiert hätte.
Und außerdem bin ich mir sicher, dass ich diesen Gutschein bei einem kleinen Zwischenstopp in Deutschland leicht weitertauschen kann. Mit einem Zwischenstand von 10000 US -Dollar zur Halbzeit meiner Tauschrauschreisehabe ich beste Aussichten, es am Ende bis zum Haus auf Hawaii zu schaffen. Mein angebissener Apfel hatte einen Wert von 79 Cent, also ungefähr einem Dollar, den ich nun verzehntausendfacht habe.
Nachdem ich Hilde vor Dankbarkeit noch schnell um den Hals gefallen bin, packe ich sofort meine Sachen, um Arusha schnell zu verlassen. Schließlich will ich nicht in die pistolenbestückten Arme (so zumindest meine Vorstellung) von Hans Günther fallen, damit er mir dankbar den 10000-Dollar-Reisegutschein abnimmt.
Endlich kann ich guten Gewissens nach Kenia weiterreisen, wie es mir der Massai-Wahrsager geraten hatte. Zwar rechne ich mir dort keine Chance auf einen Tausch mehr aus, aber bei dem guten Zwischenstand kann ich mich einige Tage meinem Auftrag widmen, mehr über den Austausch zwischen den Kulturen und das Tauschen zu lernen.
K enia
I ch fahre über Nairobi zur Bergstadt Eldoret, die ziemliche Berühmtheit dadurch erlangt hat, dass sie so viele schnelle kenianische Hochlandläufer hervorgebracht hat. Fast alle kenianischen Läufer, die sich bei Olympischen Spielen Goldmedaillen über 800, 3000, 5000 und 10000 Meter oder über die Marathondistanz um den Hals hängen konnten, kommen hierher. Eldoret liegt auf fast 2000 Metern in den Bergen, und die meisten Einwohner gehören zum Stamm der Nandi. Die Mischung aus Höhe und sportlich und konditionell begabten Einwohnern bringt eine weltweit einzigartige Klasse von Sportlern hervor, die alle anderen Nationen ziemlich alt und ziemlich langsam aussehen lässt.
Ich kontaktiere Frank, einen TV -Satelliteninstallateur, der jeden Goldmedaillengewinner der Stadt kennt, da die Läufer natürlich zur finanziellen Oberschicht der Stadt gehören und somit auch gerne Satellitenfernsehen für sich in Anspruch nehmen. Frank hilft mir, drei der besten Sportler zu treffen, um mit ihnen darüber zu reden, was ihre Karriere ihnen an interkulturellem Austausch gebracht hat, und ob sie – rein hypothetisch – jemals ihre Goldmedaillen eintauschen würden.
Als Ersten treffe ich Joseph Keter, der bei den Olympischen Spielen in Atlanta 1996 im 3000-Meter-Hindernislauf die Goldmedaille gewonnen hat. Er ist Anfang vierzig, recht humorvoll und wohnt in einem überraschend bescheidenen Haus. Es steht in einer Landschaft, die ich so in Kenia nicht erwartet hätte. Durch die Höhenlage ist die Region sehr regenreich, fruchtbar und klimatisch sehr gemäßigt, fast wie in Deutschland. Man sieht Wälder, Wiesen und Kühe, eigentlich wie im Schwarzwald oder Sauerland, nur lustigerweise liegt das alles hier direkt am Äquator, und eine Kuckucksuhr habe ich natürlich auch nirgends gesehen.
Joseph scheint trotz olympischer Goldmedaille ein ganz normaler und sympathischer Typ geblieben zu
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