Wikinger meiner Traeume - Roman
strauchelte, schürfte ihre Knie auf scharfkantigen Felsen auf und unterdrückte einen Fluch. Mühsam erhob sie sich, spuckte Wasser aus und watete weiter – so wie jedes Mal, nachdem sie in diesem widerwärtigen, verhassten, scheinbar endlosen Fluss ausgerutscht und hingefallen war.
Klatschnass, halb blind vom feuchten Haar, das ihr in die Augen hing, folgte sie der Strömung. Alle Knochen taten ihr weh. Zudem fror sie erbärmlich. Und obwohl sie genug Wasser geschluckt hatte, um den Fluss trockenzulegen, reichten ihr die Wellen immer noch bis zur Taille. Die Versuchung, ans Ufer zu kriechen und sich wie ein Häufchen Elend zusammenzukrümmen, überwältigte sie beinahe. Aber ihre Willenskraft war immer noch stärker als dieser verlockende Gedanke. Nein, sogar ans Ende der Welt würde sie waten, stolpern und stürzen und stöhnen. Entweder der Fluss siegte – oder sie.
Weil sie kaum Luft bekam, lachte sie nur lautlos. Wenn sie bedachte, dass sie erst vor kurzem zu ertrinken gefürchtet hatte... Vielleicht wäre das ein barmherziger, schneller Tod gewesen, der scheinbar endlosen Qual vorzuziehen, die sie jetzt erlitt. Und was empfand ihr Herz? Keinen Schmerz. Es sei denn, die Leere in ihrem Innern würde vor Kummer widerhallen wie eine Höhle, wenn fremde Geräusche in ihre Tiefe drangen.
Ihn nie wieder zu sehen, nicht einmal seinen Namen zu
kennen – wie sollte sie das ertragen? Aber sie hatte ihn verlassen müssen. Er schwebte ohnehin schon in Gefahr, weil er mit ihr zusammen gewesen war – und in noch größerer, nachdem sie miteinander geschlafen hatten. Einem noch schlimmeren Unheil durfte sie ihm nicht ausliefern. Das wäre wahrlich ein schlechter Dank für seine Freundlichkeit. Wie selbstsüchtig sie ihn verführt hatte, ohne Rücksicht auf sein Wohl, nur um schöne Erinnerungen zu horten...
Auf ihren Lippen schmeckte sie Salz, das nicht aus dem Fluss stammte. Schluss mit solchen Gedanken! Was geschehen war, konnte sie nicht ändern. Und trotz ihrer Verzweiflung, trotz der Sehnsucht, die ihr die Kehle zuschnürte, wurde sie immer noch von dem inbrünstigen Wunsch getrieben, am Leben zu bleiben. Schritt für Schritt kämpfte sie sich flussabwärts, umklammerte Zweige und Felsvorsprünge, um ihr Gleichgewicht zu halten. Und jedes Mal, wenn sie ausglitt und stürzte, stand sie entschlossen wieder auf.
Erst nachdem sie mehrere Meilen zurückgelegt hatte, kletterte sie aus dem Wasser. Keuchend vor Erschöpfung, lag sie im Gras und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. War sie inzwischen weit genug geflüchtet, um einer Verfolgung zu entrinnen? Nicht einmal ein meisterhafter Späher konnte eine Spur finden, die es nicht gab. Oder doch?
Nein, das wollte sie sich nicht vorstellen. Eine Rückkehr in den Fluss würde sie nicht verkraften. Sie hob den Kopf und schaute sich um. Überall sah sie nur Wald, nichts wies darauf hin, wo sie sich befinden mochte. Seufzend stand sie auf und wrang das Wasser aus ihren Haaren und der Tunika. Sobald sie neue Kräfte gesammelt hatte, eilte sie weiter, am Ufer entlang. Eine halbe Stunde später hatte die warme Sonne sie beinahe getrocknet, und sie erreichte eine Flussbiegung, wo das Ufer in einen fast senkrechten Steilhang überging, dem sie nicht folgen konnte. Und so wandte sie sich landeinwärts, immer am Sonnenstand orientiert.
Eine Zeit lang durchquerte sie dichten Wald, auf unebenem beschwerlichem Terrain, bis sie eine breite Straße betrat, die vermutlich von vielen Reisenden benutzt wurde. Einerseits war das günstig, andererseits gefährlich. Nun kam sie etwas rascher voran. Aber sie konnte entdeckt werden. So schnell die müden Beine sie trugen, eilte sie weiter und lauschte unentwegt auf Hufschläge, rollende Wagenräder oder Schritte. Nach einigen Meilen fühlte sie sich völlig erschöpft. Mit letzter Willenskraft schleppte sie sich dahin.
Durch den Nebel ihrer Ermattung hörte sie die Geräusche der Reiter viel zu spät. Sobald sie das drohende Unheil erkannte, floh sie zwischen die Bäume am Straßenrand.
Aber der Anführer des Trupps hatte sie gesehen und rief: »Halt, Junge, halt!«
Natürlich gehorchte Rycca nicht. Ein kurzer Blick auf die Banner in den Händen der Vorreiter genügte ihr, um zu erkennen, in welch großer Gefahr sie schwebte. Im Zickzack rannte sie durch den Wald und hoffte, einen Weg zu finden, dem ein Pferd nicht folgen konnte. Aber das Schicksal war ihr nicht gewogen. Sie fühlte, wie der bemooste Waldboden unter Hufschlägen bebte,
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