Wikinger meiner Träume
glauben, Magdas freundliche Gesten würden ihn erzürnen... Natürlich würde er der älteren Frau, die ihm schon seit vielen Jahren getreulich diente, keine Vorwürfe machen. Und die gute Magda würde gewiss nichts tun, was ihrem Herrn missfallen könnte. Das bedeutete... Plötzlich stockte Ryccas Atem.
Mit schmalen Augen schaute sie in die silbrige Nacht. Keine Menschenseele regte sich im Hof. Trotzdem gewann sie die Überzeugung, dass sie nicht allein war.
Obwohl sie sich albern fühlte, wurde sie von einer unwiderstehlichen Sehnsucht ermutigt. »Dragon?«, wisperte sie. »Bist du da? Hörst du mich?«
Hatte sie seine Nähe tatsächlich gespürt? Unglaublich...
Gib ihr keine Antwort, ermahnte sich Dragon. Vielleicht lauerte die Person, die er entlarven wollte, bereits in irgendeinem Winkel, um einen günstigen Augenblick abzuwarten. Wenn er jetzt sprach, würde er seinen eigenen Plan durchkreuzen. Und doch - dem flehenden Klang dieser Stimme konnte er nicht widerstehen.
»Sei still, Rycca!«, flüsterte er. »Wo ich bin, darf niemand wissen.«
Heiße Freude stieg in ihr auf. In maßloser Erleichterung hätte sie beinahe geschrien. Also war ihre heimliche Hoffnung berechtigt gewesen - er ließ sie nicht allein in dieser kalten Nacht. »Dragon, warum...«
»Still! Darüber reden wir später.«
Gehorsam wie eh und je - bei diesem Gedanken hätte sie beinahe laut gelacht - presste sie ihre Lippen zusammen und schwieg. Aber ihren Gedanken musste sie nicht Einhalt gebieten. Dragon war hier, und er bewachte sie. Offenbar erwartete er, irgendetwas würde geschehen. Und was? Dass sie dumm genug wäre, um einen Fluchtversuch zu wagen? Keine Sekunde lang glaubte sie, er würde ihr eine solche Falle stellen. Nein, er nahm an, der wahre Schuldige würde sich zeigen - der Schurke, der ihnen beiden zu schaden suchte.
Deshalb benutzte er sie als - Köder.
Wenn das alles vorbei war, würde sich ihr lieber Gemahl besonders wortreich entschuldigen müssen.
Weil sie fürchtete, ihr strahlendes Lächeln würde den Plan verraten, zog sie hastig den Zipfel einer Wolldecke über ihr Gesicht. Wenig später schlief sie wieder ein, sicher geborgen unter Dragons wachsamen Augen.
18
Im Gegensatz zu seiner Frau tat der Jarl von Landsende kein Auge zu. An beschwerliche Kriegszeiten gewöhnt, hielt er die ganze Nacht Wache. Im Hof rührte sich nichts. Kaum ein Laut erklang, bis am Morgen die Hähne krähten.
Kurz danach erschien Magda und entfernte sich mit Rycca. Als sie zurückkehrten, drängte die ältere Frau ihre Herrin, etwas zu essen. Rycca versprach, sie würde es versuchen. Das meinte sie ernst, nachdem sich ihre Stimmung inzwischen erheblich gebessert hatte. Aber allein schon der Geruch des Haferbreis krampfte ihren Magen zusammen, und sie stellte die Schüssel beiseite, ohne ihr Frühstück auch nur zu kosten.
Damit erzürnte sie Dragon, der immer noch hinter der Ecke des Stallgebäudes stand. Als wäre die Situation nicht schon schlimm genug! Nach der schlaflosen Nacht gingen ihm beinahe die Nerven durch. Am liebsten wäre er zu Rycca gerannt und hätte sie gezwungen, die Schüssel leer zu essen.
Und danach hätte er sie umarmt und geküsst und angefleht, ihm zu versichern, es sei kein Fehler, ihr zu vertrauen. Genauso wie diese albernen Füchse Grani und Sleipnir hätte er einen schmachtenden Narren aus sich gemacht.
Nein, das würde er nicht tun und stattdessen mit seinen Wachtposten auf den Türmen reden. Sie mussten auf seine Frau aufpassen, während er im belebenden kalten Wasser des Flusses untertauchte und die Schatten der langen, ermüdenden Nacht abschüttelte.
In frischer Kleidung kehrte er zurück. Für eine Rasur hatte er sich keine Zeit genommen. So normal wie jeden Morgen begann der Tag. Die Leute eilten umher und erfüllten ihre Pflichten, offensichtlich fest entschlossen, die Festungsherrin am Marterpfahl zu ignorieren. Von Magda abgesehen. Die treue Seele starrte ihn so vorwurfsvoll an, wie sie es wagte.
Mindestens zehnmal gesellte sie sich zu Rycca, um in dieser oder jener Angelegenheit einen Rat zu erbitten. Ihr absurdes Verhalten belustigte Dragon. Als sie wieder einmal an ihm vorbeirauschte, lachte er, womit er sich einen strengen Blick einhandelte.
Ereignislos verstrichen die Stunden. Magda kam und ging, beklagte Ryccas mangelnden Appetit und musterte Dragon immer zorniger. Diesem Beispiel folgten mittlerweile auch einige andere Frauen. Daraus schloss er, dass sie ihre Herrin für unschuldig
Weitere Kostenlose Bücher