Wikingerfeuer
noch den Tod scheue. Er soll im Heiligen Land gekämpft und dort seinen Glauben verloren haben. Nun, ich kann verstehen, dass man nach vielen harten Schlachten so wird.«
Rúna wartete, dass Rouwen, dessen Glauben offenbar nichts hatte erschüttern können, glühend widersprach.
Doch er nickte langsam. »Ja, das kann ich auch.«
Diese Antwort und der gramvolle Ausdruck, der kurz über sein Gesicht huschte, ließ ihm erneut ihr Herz zufliegen. Wären sie nur nicht hier. Wäre doch alles anders! Dann würde sie jetzt zu ihm gehen und ihn trösten. Wenigstens seine Hand ergreifen. So blieb ihr nur, weiterhin den Messergriff festzuhalten.
»Angus von Galashiels ist tot«, sagte er.
»Dann hat er jetzt hoffentlich Frieden gefunden«, erwiderte Wulfher. »Ich wusste nicht, dass Angus die Wikinger begleitet. MacCallums Nachricht war kurz, aber sie gab mir Hoffnung. Ich könnte die Wikinger besiegen, einen bedeutenden Krieger oder Baldvin höchstselbst gefangen nehmen und so Athelnas Herausgabe erzwingen. So hätte ich die Schuld nicht auf mich laden und den Mönch opfern müssen. Dass mir dann aber ausgerechnet Baldvins Tochter in die Hände fällt … welch eine großartige Fügung!«
Er umrundete den wuchtigen Tisch und trat vor Rúna. »Steckt Euer albernes Messer weg, Tochter des Baldvin. Ich habe vor nichts mehr Furcht, da geht es mir wie Angus. Ich fürchte nur um meine Verlobte. Lord MacCallum meinte einmal, ich sei vor Hass und Verzweiflung zerfressen. Verzweiflung? O ja. Hass? Wenn, dann vom Hass auf Bruder Oxnac …«
»Gebt ihn heraus«, sagte Rúna. »Ich will ihn zu meinem Vater bringen.«
»Er ist ein Mann Gottes. Ich kann nicht.«
Er hatte sie in der Gewalt, er musste es nicht tun. Und er hatte sie oben auf den Zinnen grob behandelt. Trotzdem sah sie etwas in diesem Mann, das ihr Hoffnung gab. Sie hatte geglaubt, ihr Stolz würde niemals zulassen, ihn zu bitten. Doch die Worte kamen ganz selbstverständlich und fühlten sich richtig an. »Meine Mutter hat wegen dieses Mannes gelitten. Sie ist seinetwegen gestorben. Denkt an Athelna, sie wurde bei uns immer gut behandelt. Nun stellt Euch aber vor, sie hätte das gleiche Schicksal ereilt wie Ingvildr. Stellt es Euch vor! Was spürt Ihr? Hass? Ohnmächtige Wut?«
Er schluckte und schwieg.
»Ich bitte Euch. Euch Christen ist euer Seelenheil so wichtig. Mir das meiner Mutter ebenfalls. Sie wartet auf Rache.«
»Aber Vergebung …«, murmelte er und verstummte. Sie sah, wie er mit seinem Gewissen rang. Er schluckte. »War Eure Mutter auch so … liebreizend?«
Rúna musste für einen Moment die Augen schließen. »Viel mehr als ich«, flüsterte sie.
Er mahlte mit den Kiefern und raufte sich wieder die Haare. Und als er die Lippen zusammenpresste und sie schon glaubte, er werde ablehnen, rief er über ihre Schulter hinweg: »Holt den Benediktiner! Er soll sich rechtfertigen, hier und jetzt, vor ihr!«
»Ja, Herr.« Bewegung kam in die Wachen an der Tür; Rúna hörte sie die Treppe hinabstiefeln. Mit hochgezogenen Augenbrauen wandte sich Wulfher an sie. »Zufrieden, schöne Heidin?«
»Danke«, murmelte sie. Ihr Herz klopfte, und das nicht nur vor Freude. Es würde alles andere als angenehm werden, wieder in das düstere Gesicht des Mönchs zu schauen.
Wulfher breitete die Arme aus, als wolle er sein Zaudern mit aller Kraft abwerfen »Ich will Frieden!«, rief er. »Wir müssen handeln, bevor deine Sippe wirklich angreift. Ich muss ihnen eine Nachricht schicken, dass es keinen Grund mehr zu kämpfen gibt.«
»Das wird Baldvin gern hören«, bemerkte Rouwen. »Aber es gibt einen Mann, der sich in den Kopf gesetzt hat, diese Auseinandersetzung dazu zu nutzen, sich zum Herrn der Wikinger aufzuschwingen.«
Wulfher runzelte die Stirn. »Wie viele Männer hat er?«
»Zwölf.«
»Zwölf? Mehr nicht?«
»Möglicherweise noch weniger. Nicht alle sind auf seiner Seite.«
»Was will er?«
»Rúna befreien, sie zu seiner Frau machen, sich zum Herrn der Yoturer aufschwingen und alte glorreiche Zeiten wiederbeleben.« Rouwens Stimme war gefährlich dunkel geworden, als er dies sagte.
Wulfher rieb sich das stoppelige Kinn. »Es klingt, als sei er wahnsinnig.«
»Yngvarr ist nicht wahnsinnig«, mischte sich Rúna ein. »Er ist ein starker Krieger, wie einer der Berserker, die früher im Alleingang ganze Schlachten entscheiden konnten. Und er mag zwar hitzköpfig sein, aber er ist nicht dumm. Ihr müsst darauf vorbereitet sein, dass er einen Plan hat. Was
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