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Wikingerfeuer

Wikingerfeuer

Titel: Wikingerfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirley Waters
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gegen Kopfweh.«
    »Bist du eine Zaunreiterin?«
    »Was soll das sein?«
    »Eine zauberkundige Frau.«
    »Die Hütte gehört Stígr. Er ist ein Seidmann, ein Zauberer. Und ein Heiler.«
    Auffordernd stupste sie mit der Kante des Bechers gegen seine Unterlippe. Er ergab sich und trank. Die fast breiige Flüssigkeit schmeckte nicht so übel wie befürchtet. Tatsächlich fühlte er sich gleich etwas frischer. Vielleicht war Krähenblut ja nur ein Kraut mit einem seltsamen Namen? Er beschloss, nicht nachzufragen. Vorsichtig straffte er sich und bewegte die Schultern. »Wo ist der Zauberer?«, fragte er stattdessen.
    »Er ist aufgebrochen, Pflanzen zu sammeln; da ist er immer ein paar Tage unterwegs«, erklärte sie. »Er wäre, glaube ich, nicht sehr erfreut, dich hier drinnen zu wissen. Aber hier bist du am besten aufgehoben.«
    Und das ganz sicher nicht, damit man ihn mit Heiltränken versorgen konnte, vermutete Rouwen. Sondern weil die Tür dieser Zauberhütte ein schweres Eisenschloss besaß. Fenster gab es keine, nur an einer Wand eine schmale Öffnung, die dazu diente, Licht einzulassen, und auf der anderen, dicht unterhalb des Strohdaches, ein ebenso winziges Loch, um Rauch hinauszulassen. Nun, in englischen Burgen pflegte man Gefangene in Verliese zu werfen; hier gab es wohl nichts Vergleichbares. Was die unangenehme Frage aufwarf, wie diese Wikinger mit ihren Gefangenen ansonsten verfuhren. Dieser Gedanke brachte ihm die schöne Frau mit den gepolsterten Fesseln um die Fußgelenke in den Sinn …
    »Die Frau, die ich vor ein paar Tagen sah …« War das vor ein paar Tagen gewesen? Er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, aber an dem erbosten Feuer in Rúnas Augen erkannte er, dass sie sofort wusste, von wem er sprach. »Wer ist sie?«
    »Das geht dich nichts an.« Rúna verschränkte die Arme vor der Brust. Im Ausschnitt ihrer Tunika erschien der Ansatz ihres Busens.
    Rouwen heftete den Blick an die Wand, wo eine getrocknete Echse an einem Nagel hing. Was man daraus wohl herstellte? »Ich nehme an, sie ist eine Geisel wie ich. Wie lange ist sie schon hier?«
    »Hörst du schlecht? Das geht dich nichts an.«
    Er sah ihr in die Augen, sehr darauf bedacht, den Blick nicht tiefer sinken zu lassen. Ein überraschend schwieriges Unterfangen. Wobei der Teil seines eigenen Körpers, der ihm Sorgen machte, gerade ein ganz anderes Bedürfnis hatte. »Darf ich wenigstens erfahren, wie ich hier pinkeln soll?«
    Sie schnappte nach Luft. Unangenehm berührt blickte sie zur Seite, ebenfalls auf den Echsenkadaver. Daneben sah er – bei allen Heiligen! – einen Schrein. Er war aus Glas, geformt wie ein kleines Haus, und darin, auf einem Bett aus Samt und mit Golddraht befestigt, glänzten gebleichte Knochen. Eine Reliquie. Eine geraubte Reliquie. Die Edelsteine, die am First und an den Kanten des Glashäuschens gewesen sein mussten, waren aus ihren Fassungen gebrochen. Und mit dem eigentlich Wertvollen durfte sich offenbar der Dorfzauberer beschäftigen.
    »Das ist der Handknochen eines Mannes namens Blaan«, sagte Rúna. »Jedenfalls steht sein Name da am Rand.«
    Der Heilige Blane. Ein Bischof aus Irland, der unter die Pikten geschickt worden war, vor Hunderten von Jahren. Rouwen kannte Geschichten aus seinem Leben, aber keine darüber, was mit seinen Knochen geschehen war. Kein Wunder; die Geschichte, wie Baldvin oder einer seiner Vorfahren ein Kloster überfallen und diesen Schatz geraubt hatten, würde wohl jeden Christen mit Wut und Scham erfüllen.
    »Rúna, ich habe dich etwas gefragt.«
    »Ja.« Nachdenklich rieb sie sich den Nasenrücken. »Augenblick.« Sie raffte einen Eimer auf, trug ihn in die hinterste Ecke der kleinen Hütte und holte aus einer anderen Truhe eine Decke, die sie so aufhängte, dass der Eimer dahinter verborgen war.
    Rouwen erhob sich. Er musste die Füße fest in den eiskalten Lehmboden stemmen, um nicht zu schwanken. Gezwungenermaßen war er barfuß, und die Kälte drang ihm sofort durch die Haut. Wie konnte diese Frau freiwillig auf Schuhwerk verzichten? Es war ihm unbegreiflich.
    Er hob die Ellbogen an. »Ich fürchte, du wirst mich für einen Augenblick losbinden müssen.«
    »Wozu … Oh, ach so. Nein«, sie schüttelte den Kopf.
    »Willst du mir etwa helfen?«
    Ihr Blick war schneidend wie eine Klinge, ein Ausdruck, den er inzwischen gut kannte. Allerdings begann es ihm langsam zu gefallen, wenn sie ihn so ansah. Das musste eine Nachwirkung der ausgestandenen Qualen sein; anders

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