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Wikingerfeuer

Wikingerfeuer

Titel: Wikingerfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirley Waters
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waren die letzte Sippe, die noch die alten Götter anbetete …«
    Obwohl er eben noch schläfrig gewesen war, wirkten seine Augen nun wach und interessiert.
    »Es gab eine Schlacht …«, fuhr sie fort.
    »Die Schlacht von Stamford Bridge.« Er hob sich auf einen Ellbogen.
    Rúna musste sich sammeln, um sich von seinem Bernsteinblick nicht verwirren zu lassen. »Ja, das … das ist jetzt etwa hundertundzwanzig Jahre her. Harald verlor sie, und von den Yoturern überlebten nur drei Brüder. Sie gerieten in Gefangenschaft, und die Engländer holten einen Priester, um sie dazu zu zwingen, den alten Göttern abzuschwören. Sie mussten sich … ins Wasser tauchen lassen? Wie nennt man das noch?«
    »Taufe.«
    Sie nickte. »Sie ließen sich aber nicht zwingen. Zwei tötete man, um wenigstens einen zur Umkehr zu bewegen, wie sie es nannten …«
    »Es sind im Namen des Herrn viele schlimme Dinge geschehen«, murmelte Rouwen. »Auch im Heiligen Land. Ich bedaure das zutiefst.«
    Rúna staunte. Sie hatte erwartet, dass er seine Glaubensbrüder glühend verteidigen würde. Unruhig rutschte sie auf dem Hocker, auf dem sie saß, hin und her. »Nun, Thor gab ihm Kraft ein, hieß es, und er wurde zum Berserkir, kämpfte und floh. Er schlug sich an der Küste nach Norden durch und gelangte auf die Hjaltland-Inseln. Die Shetlands, wie die Engländer sie nennen. Hierher. Sein Name war Yotur.«
    »Also gründete er diese Siedlung.« Rouwens Stimme klang nachdenklich.
    »Es gab hier schon eine, aber er schwang sich zu ihrem Herrn auf, nahm sich eine Frau und bekam einen Sohn …«
    Rúna erzählte weiter. Von dem Schwur, den Yotur von dem Sohn forderte, sobald dieser erwachsen geworden war. Einen Schwur, sich niemals zum Glauben an den angenagelten Gott bekehren zu lassen. Rouwens Brauen zuckten bei dieser respektlosen Bezeichnung, doch er kommentierte sie nicht. Rúna erzählte davon, wie Yotur und dessen Söhne Raubzüge auf die Orkneys und an die schottische Küste unternahmen, wo sie vornehmlich Kirchen und Klöster überfielen – die Rache für den Tod der Brüder. Niemals wurden sie gefasst, und sobald ein Missionar einen Fuß auf die Insel setzte, war er verloren. Es war, als sei die Zeit auf der versteckten Insel stehen geblieben. Die Welt veränderte sich; die Yoturer hörten davon, sie lasen davon, sie sahen es, aber sie hielten an ihrer Rache und den alten Göttern fest. Allerdings verlegte man sich im Laufe der Zeit mehr aufs Handeln mit den anderen Inseln und fuhr seltener zu Wikingfahrten aus. Der Ruhm von Yotur und seinen Söhnen verblasste …
    »Die Yoturer wären wohl endgültig Bauern und Händler geworden«, Rúnas Stimme wurde leiser, als sie sich dem Teil der Geschichte näherte, der ihr eigenes Leben für immer verändert hatte, »und die Erzählungen von den drei Brüdern und den letzten Wikingern wären zu Legenden geworden. Wenn nicht …« Hier brach sie ganz ab.
    Rouwen richtete sich auf und zog die Augenbrauen hoch. »Sprich weiter, Frau.«
    Es fiel ihr nicht leicht. Sie erhob sich, um mit verschränkten Armen auf- und abzulaufen. Ihre bloßen Füße verursachten keinen Laut, und Rouwen wartete ab.
    »Baldvins Großvater war der erste seit langer Zeit, der einem Prediger zuhörte. Er gestattete ihm, die Kirche zu bauen, und es hätte nicht viel gefehlt und es wäre ein Christ aus ihm geworden. Baldvins Vater, mein Großvater, der ebenfalls Baldvin hieß, war wieder anders: Er träumte von Wikingfahrten und dem alten Ruhm. Dreimal fuhr er aus und brachte Beute mit. Mein Vater wiederum träumte von Handelsfahrten. Er wollte diese alte Fehde mit dem Christentum nicht länger tragen. Er wollte sogar die Insel wegen dieser alten Geschichte verlassen. Er wollte wie seine Vorfahren im Süden siedeln, wo es Wild und Wälder gibt. Also fuhr er mit unserer Mutter an der schottischen Küste entlang bis nach Berwickshire. Und da …«
    Sie stockte. Odin! Freya! Alle Asen und Wanen! Wie kam sie dazu, dem Engländer, einem Feind , davon zu erzählen? Sie sprach nie davon. Mit niemandem. Obwohl man darüber redete. In den Hütten. Am großen Feuer in der Halle. Beim Arbeiten auf den Feldern und am Hafen. Jedoch nie in Rúnas und Ariens Gegenwart.
    Aus gutem Grund. Sie hatte die Vergangenheit verdrängt, und jetzt musste sie sich wegen dieses Mannes quälen. Nur weil sie sich hatte hinreißen lassen, ihm davon zu erzählen. Warum nur? War es ihr wirklich so wichtig, dass er begriff, warum die Yoturer so ein seltsames,

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