Wikingerfeuer
der in Terrassen gebaut ist: Tausend Schilde hängen daran, alle Schilde der Helden. Deine beiden Brüste sind …
Verdammt!
Er blätterte weiter, gelangte zum Neuen Testament. Er dachte an die Geschichte, die Rúna ihm erzählt hatte. Eine grausige Geschichte. Eine Geschichte, die verriet, warum sie ein Mann zu sein versuchte. Der Mönch, der ihre Mutter auf dem Gewissen hatte, sollte in der Hölle verrotten! Jesus Christus, er hatte es nicht verdient, dir zu dienen! Hölle und Teufel!
Er schlug die Bibel zu und legte sie zurück. Es gab noch ein paar kleinere Kisten, die aber nur Werkzeuge, Kräuter und Lumpen enthielten. Stígr hatte er ja bereits während des Festes kennengelernt, und diese Hütte passte zu seinem liederlichen Äußeren. Mehrere zerbeulte Kupferbecher und leere Krüge verrieten, dass er viel und gern trank. Einen Arzneikasten mitsamt Messerchen und Skalpellen fand Rouwen nicht. Entweder besaß der Heiler nichts dergleichen, oder man hatte es fortgeräumt. Nun, zum Kämpfen hätten diese Dinge ohnehin nicht getaugt. Erst recht nicht mit einem Schwur, der es verbot …
Er legte sich wieder auf die Pritsche, denn selbst die wenige Bewegung strengte ihn noch zu sehr an. Seine Gedanken glitten zurück zu Rúna. Ihm war nicht entgangen, dass sie gegen Tränen angekämpft hatte. Er hatte den Wunsch verspürt, sie irgendwie zu trösten. Nur wie, das hatte er selbst nicht gewusst. Sie in den Arm nehmen? Den hätte sie ihm wohl eher abzuschlagen versucht. Warum war sie zuletzt nur so zornig gewesen?
Frauen … Die verstand er ohnehin nicht. Wie auch, er war ja ein Mönch. Aber diese Frau wäre wohl für jeden Mann ein Rätsel.
Über diese unersprießlichen Gedanken schlief er ein.
Rúna legte ihre Dolche und Messer nebeneinander auf das Fell ihres Bettes. Sechs hatte sie schon. Wenn sie eines Tages zu alt zum Kämpfen sein würde, so wollte sie fünfzig ihr Eigen nennen. Der Sarazenendolch war gewiss die schönste und kostbarste Waffe ihrer Sammlung. Das lange Jagdmesser mit der silberverzierten Klinge, das ihr der Vater zum Julfest geschenkt hatte, war die schwerste. Aber die liebste war ihr der kleine spitze Dolch, den ihre Mutter neben dem Hausschlüssel am Gürtel getragen hatte. Obwohl er in einem wirklichen Kampf kaum zu gebrauchen war. Es war vielmehr das Schmuckstück einer Hausherrin. Rúna befingerte ihre kleine Sammlung, küsste zuletzt den Dolch ihrer Mutter und verstaute alle in ihrer Truhe. Lediglich die Sarazenenklinge steckte sie wieder in die Gürtelscheide.
»Ich habe erst zwei«, beschwerte sich Arien, der mit gekreuzten Beinen auf dem Bettende thronte und ein Stück Hefekuchen aß.
»In deinem Alter hatte ich auch nur zwei.«
»Ich wusste, dass du das sagen würdest, du alte Norne.«
»Warum beschwerst du dich dann, Trollkind?«
»Der Engländer hat drei Waffen am Gürtel getragen. Und da war noch nicht einmal ein Schwert dabei.«
»Ja, ich weiß, Vater hat sie unter den Kriegern verteilt.« Und Yngvarr stand das lange Kampfmesser des Engländers gut, musste sie zugeben. Bäuchlings warf sie sich auf das große Eisbärenfell und langte nach einem Stück des weißen Kuchens auf Ariens Teller.
»Ich hab mich mit Rouwen unterhalten«, sagte er plötzlich, und Rúnas Kopf flog hoch.
»Wie das? Er ist doch eingesperrt?«
Ihr Bruder hob die schmalen Schultern. Sein Gesicht rötete sich, und er senkte den Kopf über den Teller. »Sverri und Hallvardr waren doch bei mir. Und draußen stehen vier Wächter, wie du es angeordnet hast.«
»Bei allen Göttern, dass die Männer uns gehorchen, ist ja eine feine Sache, schließlich sind wir Baldvins Kinder, aber ich finde, bei dir sollten sie gelegentlich eine Ausnahme machen!«
»Es war kein bisschen gefährlich«, beharrte Arien. »Sverri hat Rouwen ein Schwert an die Kehle gehalten. Vater ist übrigens wütend, dass jetzt ständig vier Männer bei der Arbeit fehlen. Er meinte …«
»Lenk nicht ab! Worüber habt ihr gesprochen?«
Er kaute, hustete dann und räusperte sich umständlich. »Über die Heilkunst der Sarazenen. Sie haben Ärzte, die zum Beispiel sagen, dass schlechte Gefühle Krankheiten auslösen können. Oder dass Musik heilen kann.«
»Musik?« Sie dachte an den Katzenjammer, den man hier bei Festgelagen zu hören bekam, und konnte sich das beim besten Willen nicht vorstellen.
»Die Gelehrten dort sagen auch, dass Amulette und Beschwörungen gar nicht helfen.« Arien krempelte einen Ärmel hoch und streckte den
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