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Wikingerfeuer

Wikingerfeuer

Titel: Wikingerfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirley Waters
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hartes Völkchen waren? Warum sie war, wie sie war? Nun gut. Tief atmete sie ein.
    »Einmal ließ er sie in einem Kloster zurück, um mit einem schottischen Earl über ein Stück Land zu verhandeln. Er wollte es pachten und sich dort ein Haus errichten, nahe Eastfield-upon-Eye-Water. So heißt die Stadt. Als er zurückkam … als er …«
    Nein. Sie konnte es nicht. Sie blieb stehen, kehrte Rouwen den Rücken zu und presste eine Faust an den Mund.
    »Was geschah dann?«, fragte er. Seine Stimme war sanft, als ahnte er bereits, wie es weiterging.
    Mehrmals schluckte sie. Konnte sie weitersprechen, ohne dass sie zittrig und schwach klang? Sie räusperte sich. »Er fand sie …« Sie hob auch die andere Hand, und mit allen Fingern fuhr sie sich über das Gesicht, um die Tränen zu verdrängen, die sich in ihren Augen sammelten. Du wirst nicht weinen, Wirbelwind. Vor niemandem. Und schon gar nicht vor diesem Mann .
    »Wie fand er sie?«
    »Entehrt und tot.«
    Irgendetwas hauchte er, das wie Allmächtiger Gott klang.
    Rúna dachte daran zurück, wie ihr Vater als ein bleicher, um Jahre gealterter Mann zurückgekehrt war, wie er sie und den kleinen Arien in die Arme genommen, gewiegt und plötzlich herzzerreißend geweint hatte. Sie war acht oder neun Jahre alt gewesen. Zu jung, um die volle Tragweite des Verlusts sogleich zu begreifen. Zu alt, um nicht zu verstehen, was geschehen war.
    »Ein kräftiger Mönch hatte sich über sie hergemacht; sie hatte sich mit allen Kräften gewehrt und … er hat sie schlimm zugerichtet. Als mein Vater sie fand, war sie kaum noch am Leben. Sie tat ihren letzten Atemzug in seinen Armen. Vater kehrte nach Yotur zurück und schwor Blutfehde bis an sein Lebensende. Er nahm sich eine zweite Frau, Júta, aber die gebar ihm nicht den erhofften Sohn. So hat er nur einen, der kränkelt, und eine Tochter, mich. Also erzog er mich als Mann, damit ich unsere Mutter irgendwann rächen kann, sollte es ihm nicht mehr gelingen.«
    Sie hatte nicht geweint. Ihre Stimme hatte etwas tief geklungen, doch fest. Im Stillen dankte sie den Göttern, umschloss den Thorshammer auf ihrer Brust und wandte sich um.
    Rouwen stand unmittelbar vor ihr.
    Erschrocken zuckte sie zurück. Von seiner Schläfe rann ein Schweißtropfen und seine Brust hob und senkte sich, als habe es ihn angestrengt, sich wieder zu erheben. Aber sein Blick war auf sie konzentriert. Sein Mund, den sie widerwillig so berückend fand, öffnete sich langsam. Sie sah ebenmäßige, kräftige helle Zähne. Seine Lippen bewegten sich; er sagte irgendetwas, das sie über dem Rauschen in ihren Ohren nicht richtig hörte. Sie starrte auf seinen Mund wie das gestellte Wild auf den Jäger. Abrupt fuhr sie wieder herum.
    Sein Atem strich über ihren Nacken. Und dann legte sich eine Hand sanft auf ihre Schulter. Ihr erster Impuls war, sie abzuschütteln – was fiel ihm ein, sie, die Tochter des Häuptlings, zu berühren? Doch es fühlte sich nicht aufdringlich, nicht respektlos an.
    Vielmehr tröstlich.
    Seine Finger bewegten sich leicht. Rúna konnte sich nicht dagegen wehren, es … angenehm zu finden. Sie hielt still. Nur noch einen Herzschlag diese Berührung genießen, noch einen, noch einen …
    »Deshalb also ist Lady Athelna hier, nicht wahr?«, fragte er rau.
    Athelna? Athelna? Sie offenbarte ihm, was sie noch keinem anderen erzählt hatte, und er hatte nichts Besseres zu tun, als nach Athelna zu fragen? Die ist ja auch zart und schön und nicht ungehobelt wie ich , dachte sie bissig, fuhr herum und, ehe sie sichs versah, hatte sie zu einem Schlag ausgeholt.
    Mühelos fing er ihn ab. Seine gefesselten Hände umschlossen ihre Finger. Er wirkte verwirrt.
    Mit der freien Hand zog sie blitzschnell den Sarazenendolch und drückte die Spitze gegen seinen straffen Bauch.
    »Loslassen, sofort.«
    Er tat es. »Verzeih, dass ich dich berührte.« Abwehrend hob er die Hände, machte zwei lange Schritte rückwärts und hockte sich auf die Pritsche.
    »Athelna und der ganze Rest der Geschichte geht dich nicht das Geringste an«, sagte sie kühl und steckte den Dolch zurück in die Scheide. Schlimm genug, dass sie ihm überhaupt so viel erzählt hatte. Wie hatte sie sich nur dazu hinreißen lassen können? Als ob er irgendeinen Zauber über sie geworfen hatte! Aber das konnte nicht sein, Christen verachteten Zauberkundige. Und dieser Mann strahlte eine geradezu würdevolle Aufrichtigkeit aus. Sie griff nach ihrem Seidentuchseil, das sie auf dem Tisch abgelegt

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