Wikingerfeuer
Gesellschaft auflöste. Nach dem anstrengenden Tag waren alle müde. Rúna und Arien bekamen unter dem Dach die Schlafplätze der Bauersfamilie zugewiesen, die sich in eine Seitenkammer zurückzog. Die anderen schliefen im Stall. Oder machten sich auf ihren Wachrundgang. Sverri und Hallvardr wollten vor der Tür schlafen, denn im Haus war es ihnen zu warm. Dafür nahmen sie sogar in Kauf, vom Regen durchnässt zu werden. Und Rouwen? Rúna wusste es nicht. Vermutlich legte auch er sich im Heu nieder.
Sie schob für sich und Arien zwei der Strohsäcke zurecht und suchte die bereitgelegten Decken nach Ungeziefer ab. Freya sei Dank – sie fand keines. Die Bäuerin hatte ihnen sogar eine Messinglampe mit einem Talglicht gegeben, damit sie sich zurechtfanden. Zweifellos war dies die größte Kostbarkeit, die die Familie besaß, und Rúna überlegte, ihren Kristallanhänger zurückzulassen. Aber damit würden die Bauersleute nichts anfangen können; man würde sie höchstens beschuldigen, ihn gestohlen zu haben. Auch der Sarazenendolch war zu kostbar, und an ihm hing sie längst. Sie würde morgen Sverri um eines seiner schlichteren Messer bitten. Das würden ihre Gastgeber sicher zu schätzen wissen.
Irgendwo raschelte eine Maus. Es roch nach frischem Stroh und altem Staub und der süßlichen Salbe, die Arien auf seiner Kehrseite verteilt hatte. Er war, erschöpft von dem langen ungewohnten Ritt, eingeschlafen, sowie er sich ausgestreckt hatte.
Rúna brauchte hingegen lange, bis auch sie Schlaf fand. Sie träumte sich im Übungskampf mit Rouwen. Er war wie Nebel und entglitt ihren Zugriffen. Dabei lächelte er auf eine Art, die ihr die Sehnsucht in die Brust trieb. Stell dich mir! Bleib hier! Umarme mich! All das wollte sie ihm zurufen, aber ihr Mund war wie zugenagelt. Dann war es plötzlich Yngvarr, der vor ihr stand und mit seinem Schwert auf sie eindrosch. Zornig schlug sie zurück. Oh, diese Wut, woher kam die nur? Sein Lächeln war höhnisch. Kalt. Bedrohlich. Er packte sie und zog sie an sich. Bleib hier, umarme mich, Wirbelwind … Sie schlug nach ihm, doch auch er war nur Nebel …
Irgendwann in der Nacht erwachte sie, froh, diesem und noch anderen wirren Träumen entkommen zu sein.
Jemand redete. »Arien?«, flüsterte sie benommen. Der aber schlief noch, und die Stimmen klangen dunkler. Sie kamen von unten, aus der Wohnkammer, erkannte sie. Rouwen und … ihr Vater.
Was mochten die beiden bereden? Sie schob die Decke weg und glitt vom Strohsack. Lautlos kroch sie dorthin, wo ein Lichtschimmer durch eine breite Bodenritze drang. Nein, lauschen wollte sie nicht, nur einmal kurz hinunterschauen, und dann hinaus, um sich zu erleichtern … Doch was sie sah, ließ ihr den Atem stocken. Tatsächlich unterhielten sich Baldvin und Rouwen miteinander und tranken dabei. Sie hockten nah am Herdfeuer auf einer Bank. Einvernehmlich wie Freunde. Erstaunlich!
»Nein, du hast ja recht«, sagte Baldvin gerade. »Das ist alles wirklich nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe …«
»Diese Burg wird dir wohl geöffnet, aber sicher, dass es keine Falle ist, kannst du nicht sein.«
»Ja, das bereitet mir Kopfzerbrechen. Dass ich meinen Jungen dabei habe, auch. Und dann Yngvarr … Er sieht mich mehr und mehr schief an. Und zu all dem kommt … verdammt.« Er stieß auf und nahm dann einen tiefen Schluck aus seinem Holzbecher.
»Dass Rúna mich liebt. Mich, einen Engländer, einen Christen.«
Ihr Vater nickte schwer. »Einen Mönch.« Er sah Rouwen von der Seite an, schüttelte den Kopf und hielt ihm plötzlich seinen Humpen vor die Nase. Rouwen hob seinen und stieß mit ihm an.
»Verdammt soll ich sein«, murmelte Baldvin.
»Ich ebenso.«
Gemeinsam tranken sie. Rúna wartete, dass Rouwen sagte, er liebe sie ebenfalls.
Er tat es nicht. Er schwieg.
Ich vermute, dass ich sie liebe – so hatte er es gesagt, als herausgekommen war, dass er ein Mönch war. Aber zugleich hatte er zugegeben, nichts von der Liebe zu wissen.
Sie wollte ihn in Gedanken zwingen, es zu sagen.
Nichts.
Verdammt, bei Thor!
»Ich habe das Gefühl, dass mir alles entgleitet«, seufzte Baldvin. Um die Neige zu trinken, musste er den Kopf weit zurücklegen. Rúna zuckte zurück, befürchtete, er könne sie sehen. Aber das war unmöglich, das einzige Licht kam von unten, und außerdem hielt er die Augen geschlossen.
»Ah«, stöhnte er genüsslich und wischte sich mit einem haarigen Handrücken über den Bart. Das Ale war gut; Rúna hatte es am
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