Wikingerfeuer
ihr womöglich zu folgen. Sie bedachte ihn mit einem abweisenden Blick, dann ließ sie ihn stehen und drang tiefer in den Wald. Dort schlug sie einen Bogen um das Lager und kehrte auf den Weg zurück.
So weit, so gut. Jetzt musste sie nur zur Burg, den Mönch finden und entführen oder töten.
Ganz einfach, oder?
16.
W as willst du?« Verständnislos starrte die Frau Rúna an. »Habe ich dich richtig verstanden? Deine Aussprache ist ungewöhnlich. Wo kommst du denn her?«
Rúna wiederholte ihr Anliegen, ohne auf die letzte Frage einzugehen. Dabei hob sie den Arm, über den sie ihre Lederhose gelegt hatte, und zeigte auf der Handfläche ein kleines, gutes Messer. Den Sarazenendolch und ihre anderen Waffen hatte sie in der Nähe in einem Eibengebüsch versteckt. Auch die Stiefel und ihre Armreife; schließlich sollte niemand auf den Gedanken kommen, sie auszurauben. Viel zu auffällig verhielt sie sich ohnehin. Sie trug nur die Tunika, um nicht ganz nackt dazustehen, hatte am Wegesrand halb verborgen herumgelungert und dann diese junge Bauersfrau oder Magd herangewinkt.
»Du willst meine Kleider?« Die Frau stemmte die Fäuste in die Seiten, lachte und warf ihren beiden Begleiterinnen einen Blick zu. »An denen hänge ich durchaus nicht«, sagte sie dann zu Rúna. »Aber was soll ich mit Beinkleidern?«
»Du hast doch sicher Brüder. Oder einen Vater. Das Leder ist gut verarbeitet und nirgends aufgescheuert.«
Die Frau befingerte die Hose. »Ja, es fühlt sich gut an. Und das Messer wäre ein schönes Geschenk für meinen Verlobten.«
»Lass die Finger davon«, riet ihr die kleine, füllige Frau, deren winzige Augen Rúna misstrauisch musterten. »Bestimmt hat sie die Sachen geklaut.«
Am liebsten wäre Rúna ihr ins feiste Gesicht gesprungen. »Das habe ich nicht«, widersprach sie ruhig. »Sie gehören mir.«
»Was noch merkwürdiger ist«, warf die Dritte ein. Sie war größer, aber ebenfalls etwas stämmig; deren Kleidung würde Rúna nicht passen. »Wo kommst du denn her, dass du als Frau so etwas trägst? Das ist schändlich. Unwürdig. Allein der Gedanke, der Pfarrer könnte mich so sehen!« Sie japste und schlug die Hand vor den Mund.
Auf diese Frage hatte sich Rúna notdürftig vorbereitet. »Ich komme aus einer abgelegenen Gegend weit im Norden. Da tragen Frauen gelegentlich Beinkleider, und niemand findet es schlimm.«
»Es ist anstößig«, beharrte die Frau.
»Naja, in den Highlands leben ja auch seltsame Leute«, befand die Jüngere. In ihrem Gesicht ließ sich der Wunsch, diese Dinge zu besitzen, deutlich erkennen. »Der Vetter eines Onkels von mir war mit der Nichte eines Clanhäuptlings verbandelt … Die soll auch in Männerkleidern herumgelaufen sein. Soll ein unerträglicher Wirbelwind gewesen sein. Und diese Dialekte da oben, grässlich! Nicht, dass deiner so schlimm wäre …« Sie lächelte Rúna entschuldigend an.
Rúna erwiderte das Lächeln. Ein Wirbelwind, genau , dachte sie. Dass man sie in den Norden Schottlands verorten könne, war nicht ihre Absicht gewesen, aber sie hatte nichts dagegen.
»Lass es«, sagte die Dicke, und die andere nickte bekräftigend.
Ziegen! Rúna wünschte sie in die Eistiefen Niflheims.
»Du kannst auch meine Tunika haben«, sagte sie schnell, als sie merkte, dass die junge Frau zögerte. »Ich wollte sie nur nicht anbieten, weil ich dann nackt dastünde.«
Kurzentschlossen nickte sie. »Einverstanden. Lass uns hinter die Büsche gehen und tauschen.«
Die beiden anderen schimpften, doch vergebens. Rúna führte die Schottin hinter einen der Felsen, die hier überall aus dem Gehölz und dem Grasland ragten, und machte sich sogleich daran, sich auszukleiden. Auch die Frau zog das Kopftuch ab, löste die Verschnürung ihres dunkelgrünen Kleides und schlüpfte hinaus. Darunter trug sie ein Unterkleid, das einmal weiß gewesen sein musste, jetzt aber verwaschen und mit alten Flecken versehen war. Sie zog es ebenfalls aus. Rúna gab ihr die Tunika, die sie rasch überwarf, die Hose und das Messer.
»Jetzt muss ich aber erst einmal ungesehen nach Hause!«, lachte die Frau. Leicht geduckt, die Hose an sich gedrückt, lief sie wieder auf den Weg, wo ihre Begleiterinnen sie zeternd in Empfang nahmen.
Rúna stieg in das Unterkleid. Es saß gut, war nur um weniges zu kurz. Zwar besaß sie die passende Figur, doch war sie um eine Handbreite größer. Das dunkelgrüne Oberkleid war aus dichtgewebtem Wollstoff und überall geflickt, aber sauber. Es ließ
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