Wild Eyes - mit dem Wind um die Welt - mit 16 allein auf dem Meer
historischen Augenblick festhalten konnte.
Laurence, Ian und zwei weitere Crewmitglieder stachen in See und nahmen Kurs nach Osten Richtung Beagle-Kanal. Der Kanal an der Südspitze Feuerlands zwischen argentinischen und chilenischen Inseln ist an seiner schmalsten Stelle nur fünf Kilometer breit und verbindet den Pazifischen mit dem Atlantischen Ozean. Sein Name geht auf die
HMS Beagle
zurück, das Schiff, mit dem Charles Darwin auf seiner Expedition zu den Galapagosinseln reiste.
Die Uferlandschaft rechts und links des Kanals ist von atemberaubender Schönheit. Zerklüftete, gletscherbedeckte Berge stürzen sich in die stahlblaue See. Leuchtend grüne Hügel flankieren die schmalen, von den Gletschern in den Fels gemeißelten Fjorde. Winzige Inseln erheben sich aus dem kobaltblauen Wasser.
Ian steuerte seine Jacht etwa fünfundsiebzig Meilen den Kanal hinunter, mit Kurs Richtung Osten, zum Atlantik. Gegen Abend gingen sie in einer kleinen Bucht vor Anker, vor einer Kulisse aus grünen Hügeln und felsigen Stränden. Die Luft war kalt und frisch. Das Treibholz am Strand war so verwittert und von der Sonne gebleicht, dass es aussah, als stamme es noch aus Darwins Zeiten.
Ich wusste, dass mein Papa nach Ushuaia geflogen war. Ushuaia ist die Hauptstadt der Provinz Tierra del Fuego auf Feuerland und gilt als südlichste bewohnte Stadt der Welt. Und ich wusste, was er auf sich nahm – eine Odyssee mit wer-weiß-wie-vielen Taxis, Flugzeugen und Booten –, um hier am Ende der Welt dabei zu sein, wenn seine Tochter Kap Hoorn umsegelte.
Allerdings würde er mich nur von Weitem sehen. Er durfte keinen Fuß an Bord der
Wild Eyes
setzen, mich nicht umarmen, mir weder Proviant noch irgendwelche Hilfsmittel übergeben. So wollten es die Richtlinien der Kategorie „Einhand-Weltumsegelung ohne Hilfe“. Alles, was er durfte, war zuschauen, winken, filmen, fotografieren und „Hallo, Abigail!“ rufen.
Aber ich freute mich total, ihn zu sehen, auch wenn es nur von Weitem und nur ein paar Minuten sein würden – immerhin ein paar bedeutende Minuten, vielleicht mit die bedeutendsten in meinem ganzen Leben.
In der Nacht zum 30. März war ich nur noch eine Tagesetappe von Kap Hoorn entfernt. Vor Aufregung konnte ich kaum schlafen. Morgen würde ich, nach dem Äquator, die zweite wichtige Etappe geschafft haben! Und die jüngste Weltumseglerin sein, die das Kap solo und ohne Hilfe umrundete. Ich führte die Segel nach, stellte den Autopiloten auf den richtigen Kurs und beschloss, mich ein paar Stunden aufs Ohr zu hauen. Morgen würde ich am Kap meinen Papa treffen!
Ich war kaum eingedöst, da stürzte der Autopilot ab und die
Wild Eyes
drehte mit dem Heck in den Wind. Danach spielte er völlig verrückt und steuerte das Boot abwechselnd in die eine, dann in die andere Richtung.
Ich rannte an Deck, brachte das Boot von Hand zurück auf Kurs, holte etwas Segel ein und versuchte dann, den Autopiloten mit der Fernsteuerung im Cockpit neu zu starten. Es war nichts zu machen. Inzwischen tanzte und schlingerte die
Wild Eyes
unkontrolliert hin und her, ich stürzte wieder nach unten an den Computer, doch kaum war ich angekommen, verabschiedete sich das Programm und der Bildschirm war schwarz.
Das ruft den Back-up-Autopiloten auf den Plan
, dachte ich.
So schnell ich konnte, kroch ich ins Heck und steckte das Kabel für den Hydraulikantrieb in die Steckdose, der den Ersatzautopiloten mit dem Ruder verbindet. Dann hastete ich zurück in die Kabine und schaltete den Computer ein.
Nichts passierte.
Die Selbststeuerung funktionierte nicht. Ich ging an Deck, um die Mechanik zu prüfen. Wenn der Autopilot aktiviert ist, bewegt eine Schubstange die Ruderpinne, die mit der Ruderanlage verbunden ist, und hält das Boot auf Kurs. Ich griff nach der Pinne und, tatsächlich, sie ließ sich in alle Richtungen bewegen.
Na toll
, dachte ich.
Ich liege hundertfünfzig Meilen vor Kap Hoorn mit einem manövrierunfähigen Boot. Beide Autopiloten sind im Eimer, und ich drifte auf eine der gefährlichsten Gegenden in der Geschichte der Seefahrt zu
.
Ich hätte beidrehen und den Morgen abwarten können, doch dann würde ich meinen Papa verpassen, den ich am nächsten Tag treffen sollte. In Thousand Oaks war es erst 5 Uhr nachmittags, und ich beschloss, das Team anzurufen.
Am Dienstag, dem 30. März, kurz nach 17 Uhr, bog Scott Lurie gerade mit seinem Pick-up in seine Einfahrt ein, als sein Mobiltelefon klingelte. Im Display erschien Mariannes
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