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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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hat er gemeint, und dann ist er weggegangen, und ich hab den Hubschrauber gehört, wie er davongeflogen ist.«
    Ich konnte ihr nicht ins Gesicht sehen, während sie erzählte. Er hat Dinge getan. Was für Dinge? So ein kleines, harmloses Wort.
    Dinge getan, Dinge gesagt.
    Mir wurde kalt. Und übel. Dieses Mädchen war so schön und zugleich so zerbrechlich, wie blühendes Gras, wie eine Blume, meine Jeska. Aber sie war nicht meine Jeska, sie war eine Fremde.
    Ich beobachtete, wie sie die Wurzel säuberte, sah ihrem Daumen dabei zu, wie er über die schwarzen Rillen des weißen Gemüses schabte, immer wieder und wieder, und den Dreck dabei verteilte.
    »Ich habe nicht gewusst, dass Benni dein richtiger Bruder ist.«
    Jeska hob den Kopf und sah mich an und ich erschrak über den Zorn in ihren Augen. »Ich habe es dir erzählt und jetzt werden wir nie wieder darüber reden, klar? Nie wieder. Ricarda ist unsere Mutter, sie ist eine viel bessere Mutter, die uns nicht im Stich lassen wird. Sie hat Benni genommen, obwohl ihn sonst niemand haben wollte. Mich schon. Ich bin flink und kenne viele Pflanzen, und ich kann auch nähen. Aber jemand wie er ist ein Risiko, wenn die Jäger kommen. Ricarda hat gesagt, wenn ich zu ihrer Familie gehöre, dann er auch, und sie wird uns beschützen, und ich habe mir vorgenommen, dass ich sie beschütze, und wenn du mir nicht glaubst, du wirst schon sehen.«
    Ich nickte nur und wagte keinerlei Einwände, während sie mich wild anfunkelte.
    »Bald werden wir auch einen neuen Vater bekommen, dass hat sie mir versprochen, und du bist meine neue Schwester.«
    Ich nickte wieder. Nein, ich forschte nicht nach, wen Ricarda verloren hatte. Irgendwann würde ich vielleicht den Mut aufbringen, sie selbst zu fragen.
    »Hier haben wir alles abgeerntet«, sagte Jeska und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Es tat mir in der Seele weh, wie tapfer sie war. Der Riss in meiner Brust wurde noch etwas größer. Es war, als würde die Wut ein Loch nach dem anderen hineinschlagen.
    Ich sah nichts und hörte nichts, als wir weitergingen. Ich spürte nichts. Bis Jeska plötzlich meinen Arm packte. Und ich unter den Bäumen Orion sah. Orion mit Lumina.
    Im ersten Moment dachte ich nur: Oh nein. Jeska darf nicht sehen, dass er kämpft. Dass er gegen Paulus’ Regeln verstößt, dass die Leute, die sich Die Krallen nennen, ihn zu einem Verteidiger ausbilden. Erst auf den zweiten Blick erkannte ich, dass es nicht um Nahkampf ging, nicht um Ringen.
    Dass sie sich küssten.
    Auf eine sehr intensive, sehr eindeutige, sehr leidenschaftliche Weise, die überhaupt keinen Zweifel daran ließ, was sie empfanden.
    »Oh nein, Pia«, flüsterte Jeska erschrocken. Ich sagte gar nichts. Ich dachte nichts, meine Gedanken schwiegen, meine Gefühle setzten aus.
    Orion, so versunken in diesen Kuss, in die Umarmung, hatte uns dennoch gehört. Er ließ Lumina los und sah mich, und da rannte ich schon, ohne zu wissen warum, rannte einfach fort.
    »Peas! Pi, warte!«
    Er holte mich natürlich mühelos ein. Fasste mich bei der Schulter, hielt mich auf.
    »Pi«, sagte er, »kleine Erbse. Ich wollte nicht, dass du es auf diese Weise erfährst.« Sein Mund verzog sich zu einem zerknirschten Lächeln, aber sein Gesicht glühte immer noch, seine Augen brannten. Seine Hand auf meiner Schulter flammte wie Feuer.
    »Nun ja.« Ich versuchte zu lachen. »Wenigstens hattet ihr noch alle eure Sachen an. Es braucht dir also nicht peinlich zu sein.«
    »Dann macht es dir nichts aus? Ich meine, wir sind doch nur Freunde. Ich wollte mit dir darüber reden, schon lange.«
    Freunde. Ja, wir waren Freunde. Hatte ich etwa angefangen, unsere Lüge zu glauben? Zu glauben, Orion und ich wären ein Paar? Nein, das hatte ich nicht. Wir hatten uns nie geküsst, wir hatten uns nie anders als freundschaftlich berührt. Ich hatte nur einfach … was? Weder meine Gedanken noch meine Gefühle hatten eine Antwort für mich.
    »Natürlich macht es mir nichts aus«, sagte ich. »Du weißt, dass ich mit Lucky zusammen bin. Es ist nur … ich bin bloß überrascht. Geh zurück zu ihr. Lass sie nicht da im Regen stehen.«
    Ich konnte seine Ungeduld spüren. Er wollte zu ihr, zu einem weiteren Kuss, der die Regentropfen zum Verdampfen brachte. Ich wünschte mir bloß, ich wäre nicht ausgerechnet jetzt mit Jeska im Wald gewesen, nicht ausgerechnet hier, ich wünschte, ich hätte es nicht gesehen.
    »Geh nur«, sagte ich. »Lumina ist toll, ich mag sie auch.«
    Er

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