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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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paar Fragen, hakte nach, nickte.
    Ich fühlte mich erleichtert, als endlich alles raus war.
    Wir schwiegen beide. Orion stocherte mit der Krücke in den Blättern herum.
    »Tja, so sieht es also aus«, sagte er nach einer Weile.
    »Ja«, sagte ich. »Tut mir leid. Wegen deiner Eltern, meine ich.«
    »Wir haben uns sowieso nie besonders verstanden. Irgendwie habe ich immer gewusst, dass sie mich gekauft haben, damit ich werde, wie sie es wollten. Um Geld einzubringen, richtig viel Geld.«
    »Jetzt ist ja auch klar, warum solche wie du ihre Welle brauchen«, sagte ich. »Lucky und ich, wir wollten einfach stillhalten und abwarten. Aber du, du musstest natürlich sofort losstürmen und fliehen. Du bist ein Rebell, Orion. Die Regs haben gewusst, dass sie dich selbst dann nicht mehr in die Schule zurückkriegen, wenn sie dir eine neue Glücksgabe verpassen. Es hätte nie mehr so gewirkt wie vorher.«
    »Ich hab mir schon gedacht, dass das alles Schwachsinn ist«, sagte Orion. »Die Sache mit dem Glücksstrom, und dass die wilden Gefühle im Erbgut weitergegeben werden, wenn man einmal mit der Glücksgabe aussetzt. Das kam mir schon seit längerem frei erfunden vor.«
    »Echt? Nun, ich hab’s geglaubt.«
    »Neustadt hat uns alle nach Strich und Faden verarscht.«
    »Ja«, sagte ich. »Trotzdem haben unsere neuen Freunde ein bisschen Angst vor dir.«
    »Paulus befürchtet, ich könnte seine kleine Damhirschherde aufmischen, wie? Deshalb hat er mich hier gelassen, unter seiner Kontrolle, bevor ich in einer anderen Gruppe Unheil stifte.« Er grinste, aber sein Lächeln hatte etwas Verlorenes.
    Ich legte meine Hand auf seine. »Du hast das beste Erbgut, das man sich wünschen kann. Du kannst stolz darauf sein.«
    »Klar«, antwortete er. »Wissenschaftlich getestet, mit Prüfsiegel und Zertifikat.«
    Meine Hände waren winzig gegen seine. Trotzdem nahm ich seine Pranke zwischen meine Finger.
    »Du bist, wer immer du sein willst. Du musst nicht kämpfen. Nicht einmal auf Enten schießen, wenn du nicht magst. Wir könnten auch fortgehen.«
    »Es liegt nicht in meiner Natur zu fliehen«, sagte er. Die Bitterkeit in seiner Stimme war süß und harsch zugleich. Er musste tapfer sein, er konnte nicht anders. Er wollte zusammenbrechen, aber nicht einmal das brachte er fertig. Das neue Wissen sollte ihn zerschmettern, aber jemand wie er war mit einem Panzer ausgerüstet, der selbst das nicht zuließ. Er wusste es, so wie ich es wusste, und unser beider Lächeln verschmolz zu einem einzigen.
    »Wir sind auch aus Neustadt geflohen.«
    »Jemand wie ich weiß, wann man kämpft und wann man das Weite sucht. Alles Instinkt.«
    Ich hielt seine Hand fest, lehnte mich gegen seine Schulter. Er war so groß und stark. Wie ein Baum.
    Aber er war viel mehr als das.
    »Du bist Orion«, sagte ich. »Eines der hellsten Sternbilder. Der Schütze. Ist es nicht bemerkenswert, dass unsere Eltern die richtigen Namen getroffen haben? Als hätten sie unser Schicksal damit festgelegt. Du bist Orion. Und ich bloß eine kleine Erbse.«
    »Nein«, widersprach er leise. »Erbsen sind klein und rund und grün und sehen alle gleich aus.«
    »Rund und grün bin ich nicht«, kicherte ich, immer noch an ihn gelehnt. Seine Haut war warm. Selbst jetzt, wo er erschüttert war bis ins Mark, strahlte er eine größere Ruhe aus als ich. Ein Fels in der Brandung. Ein Soldat, mitten in der Schlacht, der nie die Nerven verlor.
    »Hast du Alfred nicht zugehört, Pi? Du bist aus keiner Schublade. Du bist nicht wie die tausend Erbsen in Neustadt. Du bist das Kind deiner Eltern, das echte.«
    Da weinte ich doch. Vielleicht, weil er nicht weinen konnte, weinte ich für uns beide.

26.
    Der Himmel war von Wolken verhangen, was die Solargeräte außer Gefecht setzte. Regen durchnässte das Brennholz und verwandelte die kleineren Feuer, die Paulus zähneknirschend genehmigt hatte, in Qualm spuckende Gefahrenquellen. Jeska schüttelte sich. »Bei dem Mistwetter sollte man im Zelt bleiben und ein Spiel spielen.«
    »Was denn für ein Spiel?«, fragte ich, denn die Möglichkeiten, sich zu amüsieren, waren in diesem Lager doch arg eingeschränkt.
    »Man macht die Augen zu und sagt, was man sieht. Wovon man träumt.« Sie summte vor sich hin, während wir durchs Dickicht stapften. Ich berührte einen Ast, und sofort ging ein Schauer aus dicken, kalten Tropfen auf uns nieder. »Pass doch auf. Du bist ein kleiner Trampel, Pia.«
    »Bin ich nicht«, widersprach ich. »Das war ich früher,

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