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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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für dich sehr schmeichelhaft sein, aber … ganz ehrlich, es sagt nicht viel aus. Weder über dich noch über sie. Ich meine es ernst. Achte auf deinen Ruf, oder du wirst Probleme bekommen. Richtige Probleme. Halte dich an Orion, lerne Nein zu sagen. Und um Gottes Willen, geh Gabriel aus dem Weg. Dieser Junge macht nichts als Ärger.« Ich dachte, sie wollte mich schlagen, so wütend starrte sie mich an. »Du darfst jetzt gehen, Pia.«
    Lucky. Ich wollte fühlen, wie er lächelte. Wie er den Arm um meine Schultern legte und sagte: Lass sie doch. Sie macht sich Sorgen um dich.
    Ach Lucky. Wenn du nur hier wärst. Dann würde ich mich nicht so fühlen – wie in einem finsteren Loch, als wäre mein Herz eine schwarze Sonne, um die ich kreise.
    Jeska ließ einen Stein von der Größe eines Schädels neben unser Zelt plumpsen. Unter Aufbietung all ihrer Kraft schob sie ihn so lange hin und her, bis sie endlich zufrieden nickte.
    »Was wird das?«, erkundigte ich mich. Nicht, dass es mich wirklich interessiert hätte.
    »Ich markiere unser Zuhause.«
    »Mit einem Stein?«
    »Mit einem Steinhaufen. Es ist wie ein Grab, verstehst du? Wenn ich an diesen Platz zurückdenke, dann weiß ich, hier ist mein Zuhause begraben.«
    »Wir waren an diesem See … vielleicht drei Monate? Das nennst du Zuhause?«
    »Na und?«, fuhr sie mich wütend an. Heute war Jeska nicht fröhlich. Ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, wie es war, ein Nomadenleben zu führen. Nirgendwo länger als ein paar Wochen, höchstens ein paar Monate zu bleiben. »Du bist ja bloß zu Besuch!«
    »Bin ich nicht.« Das war eine glatte Lüge. Denn ich wohnte dort, wo Lucky war. Vielleicht war ein Teil von mir längst bei ihm und hatte das hier zurückgelassen: einen schlafwandelnden Körper, der in einem Unglücksstrom ertrank.
    »Bist du wohl! Ich weiß, dass du zurück nach Neustadt willst. Nach Hause. Aber das hier, das ist mein Zuhause! Der Platz unter diesem Baum. Es ist ein schöner Baum, ein ganz besonderer.« Sie klopfte gegen die knorrige Rinde. »Man kann fantastisch auf ihm herumklettern. Und ein Specht wohnt oben. Das gibt es nicht immer. Und der See.« Sie schrie mir jedes Wort entgegen. »Der See! Jetzt ziehen wir bloß an den Weißen Bach.«
    Die Wilden waren Nomaden, natürlich hatte dieser Zeitpunkt kommen müssen. Sie wanderten weiter, noch weiter weg. Wenn die Schnur, die zwischen Lucky und mir gespannt war, noch straffer gedehnt wurde, was passierte dann? Würde sie zerreißen? Würde ich einfach kaputtgehen, und die anderen würden sich wundern, warum ich umfiel und starb? Hoffentlich fühlte Gabriel sich wenigstens schuldig. Mit wem hatte er sich überhaupt beraten? Ob Orion dabei gewesen war? Hatte ich etwa Orion das Ende meiner Hoffnung zu verdanken?
    »Ach, du verstehst gar nichts.« Wütend stapfte sie davon, nur um wenig später mit einem neuen Stein zurückzukommen. Sie holte das Material für ihr Bauwerk aus der Uferzone. Ihre Beine waren schlammbedeckt und die Arme zerschnitten vom Schilf, aber sie hörte nicht auf, einen Stein nach dem anderen anzuschleppen. Manche waren so groß, dass sie sie nicht tragen konnte, sondern sie mühsam die Anhöhe hinaufrollen musste. Und jedes Mal, wenn sie angekommen war, sagte sie etwas darüber, wie schön es an diesem Lagerplatz war.
    »Haselnüsse, die einem fast in den Schoß fallen.«
    »Gänsebraten.«
    »Fisch.«
    »Wie die Sonne hier untergeht.«
    Als wenn sie woanders nicht untergehen würde!
    Wahrscheinlich wollte sie, dass ich ihr half, aber ich hatte nicht vor, mit solch einem Blödsinn meine Kraft zu verschwenden. Wir würden morgen lange marschieren müssen. Paulus, Helm und ein paar andere waren bereits vorausgegangen, um das neue Lager vorzubereiten und den Weg abzusichern, und unter Jakobs Leitung sollten wir ihnen folgen, sobald die Zelte abgebaut waren.
    »Holst du mir den Korb mit den warmen Jacken?«, fragte Ricarda, die vor dem Zelt saß und nähte. »Ich habe noch Jeskas Mantel vom letzten Winter behalten, obwohl ihr die Ärmel viel zu kurz sind. Ich dachte, ich könnte ihn für Benni umarbeiten, aber dir könnte er genau passen. Allerdings fehlen ein paar Knöpfe. Es wird bald dunkel, ich möchte den letzten Rest Licht ausnutzen.«
    Natürlich, denn das kalte Licht der Solarlampe eignete sich nicht gut für Handarbeiten. Nichts eignete sich wirklich gut für irgendetwas. Würde ich tatsächlich den Winter in der Wildnis verbringen, frierend in einem Zelt? Mir

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