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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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Der Schuss löste sich und zerriss die Stille mit einem ohrenbetäubenden Knall. Der Jäger hatte keine Zeit zu schreien. Sein Körper hatte den Aufprall für mich abgemildert, während er mit voller Wucht in die Steine geschleudert wurde. Immer noch hatten die klaren Gedanken die Oberhand. Ich war wie ein Soldat, weder Schmerz noch Angst zählten. Während ich noch auf ihm lag, in der winzigen Zeitspanne zwischen Schrecken und Begreifen, fingerte ich nach einem Stein und schmetterte ihn auf seinen Kopf. Ich schlug mit aller Kraft zu. Immer wieder. In diesem Moment hatte ich keine Gefühle. Es gab nichts in mir, weder Entsetzen noch Leidenschaft, weder Hass noch Liebe. Ich ließ der Liebe für diesen kleinen Jungen im Zelt keinen Raum, ich tat, als gäbe es sie nicht. Liebe oder Verantwortung oder meine Dummheit. Warum ich tat, was ich tat, musste warten.
    Nur schnell sein. Nur entschlossen sein.
    Wie viele Schläge waren nötig, um zu töten? Ich wusste es nicht, wusste nicht, ob er bereits tot war, als er sich nicht mehr bewegte. Ich musste sicher sein, ganz sicher. Doch schließlich konnte ich meine Arme kaum noch heben, und mir wurde bewusst, wie schwer der Stein war.
    Da fiel mir der Schuss ein. Wenn noch mehr Jäger in der Nähe waren, hatten sie ihn gehört. Sie würden kommen. Ihren Freund finden. Und das Zelt. Selbst wenn ich das Licht löschte, würden sie das Zelt finden.
    Ich nahm das Gewehr an mich und kroch unter die Netze. Benni beachtete mich nicht, wie immer. Da lag die Lampe, auf Ricardas Schlafstelle. Ich legte eine Decke darüber, und Dunkelheit umfing uns.
    »Benni?«, flüsterte ich. »Ich muss dich nach draußen tragen. Ist das okay?«
    Natürlich antwortete er nicht. Ich hängte das Gewehr über meine Schulter und griff nach ihm. Legte seine dünnen Ärmchen um meinen Hals, und er hielt sich tatsächlich daran fest. Das war fast mehr, als ich zu hoffen gewagt hatte. Gebückt schlich ich hinaus. Lauschte. Dann ging ich einfach weiter, nur weg von dem Zelt, weg von dem Steinhaufen. Ich kannte mittlerweile jeden Strauch, jeden Baum. Meine Füße fanden die kleine Senke unter dem Haselnusssbusch. Ich kauerte mich hinein, zog Benni dicht an mich. Mein Herz klopfte schneller. Das ist bloß die Anstrengung, sagten meine klaren Gedanken. Konzentrier dich.
    Ich hielt Benni fest auf meinem Schoß, während ich in die Nacht hineinlauschte, auf die Schritte von weiteren Jägern. Jetzt hätte ich ein Nachtsichtgerät gebraucht. Nicht alle Regs benutzten eins – wenn ich noch einmal Glück hatte, würden die Jäger, die der Schuss angelockt hatte, keins haben. Wenn ich wirklich Glück hatte, würde keiner der Mörder aus Neustadt hier auftauchen.
    Ich horchte so angestrengt, dass ich das Blut in meinen Ohren rauschen hörte, dass mein Herzschlag wie das Ticken einer Uhr klang. Zeitmesser.
    Ich musste bereit sein, die Waffe, die ich besaß, zu benutzen.
    »Wir spielen ein Spiel«, flüsterte ich in Bennis Ohr. »Verstecken. Wir verstecken uns vor Jeska, ja? Sie darf uns nicht finden. Das wird lustig.«
    Er gab kein Geräusch von sich, als ich seine Arme von meinem Hals löste und ihn unter den Haselnussstrauch legte. Ganz dicht hinter mich. Dann nahm ich das Gewehr in beide Hände, stützte es auf meinen Knien ab und zielte in die Dunkelheit.
    Einen Schuss hatte der Jäger abgegeben. Das hieß, ich hatte noch sieben Schuss, bevor ich wehrlos war. Sieben. Ich konnte sieben Jäger erschießen. Wie viele passten überhaupt in einen Hubschrauber? Meine Gedanken in mir lachten grimmig. Keiner der Waldleute erschießt acht Jäger in einer Nacht, sagten sie. Na und? Dann bin ich eben die Erste. Ich kann keine sieben Mal von einem Baum herunterspringen, aber schießen kann ich. Jakob hat es mir gezeigt, weißt du noch?
    Deine Hände müssen aufhören zu zittern. Sie müssen die Waffe fühlen. Ihr Gewicht. Es ist alles, wie es sein sollte. Deine Hände müssen jetzt ruhig sein.
    Ja, stimmte ich zu. Das müssen sie wohl. Es ist kalt.
    Du meinst, dir ist kalt. Du musst einfach damit aufhören, dass dir kalt ist.
    Also hörte ich damit auf. Ich wartete. Benni atmete leise hinter meinem Rücken.
    Das leise Knistern von Schritten. Mäuse? Waldmarder und Dachse? Bitte, Gott, lass es ein Dachs sein.
    Es war kein Dachs.
    »Ich sehe dich«, sagte eine Stimme vor mir. Höchstens ein paar Meter entfernt. »Ich sehe alles.« Eine Stimme, freundlich, kultiviert, erfüllt von Heiterkeit und Ironie. Die Stimme einer Frau. Eine

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