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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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meinen Lehrer konnte ich mir später noch den Kopf zerbrechen –, rempelte mit der Schulter gegen den Türrahmen und schlitterte über den glatten Parkettboden der Aula direkt bis vor Truth Mozarts hochgezogene Brauen.
    »Wie schön, dich wiederzusehen, Peas.«
    Was hatte sie vorhin gefühlt, als Moon vor ihr gestanden hatte? Wie schaffte sie es, so zu tun, als wäre ihr das makellose Antlitz meiner Freundin gleichgültig, das dem ihrer Tochter so sehr glich? Ich versuchte mich zu erinnern. An die Pi, die, in ihre graue Wolke gehüllt, durch eine seltsame, wabernde Welt tappte und keinen Zugriff auf ihre klaren Gedanken hatte.
    »Die Sachen sind toll«, plapperte ich drauflos. Schämen konnte ich mich später noch deswegen. »Nochmals vielen Dank. Alle beneiden mich darum und wollen wissen, wo ich sie herhabe.«
    Frau Mozart lächelte dünn. In ihren blauen Augen wohnte eine Jägerin.
    »Erinnerst du dich gerne an deine Zeit in der Wildnis, Peas?«
    Als ob es Jahre her wäre und nicht erst vorgestern.
    »Ich weiß nicht. Ich denke da gar nicht drüber nach«, stammelte ich und tat, als würden mich die tablettenförmigen Knöpfe ihrer pfefferminzduftenden Jacke überaus faszinieren.
    »Gut«, sagte sie gefasst. »Aber sicherlich weißt du noch, wie es war. Die Bäume. Der Hubschrauber. Die wilden Männer.«
    »Ja, klar«, antwortete ich artig. »Aber es ist irgendwie leicht verschwommen. So wie in einem Film, den man mal gesehen hat, wissen Sie?«
    »Ja«, sagte sie. »Du bist ein braves Kind, Peas. Kannst du mir sagen, was die wilden Männer mit dem Mädchen gemacht haben? Mit dem blonden Mädchen, das so aussieht wie deine Freundin.«
    Happiness Zuckermann trat ein paar Schritte näher, so langsam und leise, als würde sie auf Rollen herangleiten. Ihrem hübschen, leicht verkniffenen Gesicht gelang ein Lächeln. Ich spürte ihre Anspannung fast noch deutlicher als bei Savannahs Mutter. »Vielleicht sollte ich das übernehmen. Wenn sie etwas sagt, dass Sie lieber nicht hören wollen …«
    »Mein Mann hat mich geschickt, genau deswegen. Für jedes Detail.« Die Designerin ließ sich nicht beirren. »Nun wieder zu dir, Peas. Wenn ich zufrieden bin, schenke ich dir noch einen Mantel aus meiner aktuellen Winter-Kollektion. Wie fändest du das?«
    »Herrlich«, sagte ich und dachte an Ricarda und Jeskas alten Mantel in unserem Zelt. An Benni auf seiner Matte. An seinen kleinen, mageren Körper in meinen Armen. An Gabriel und wie glücklich er über die Jacke aus Fellfetzen gewesen war.
    »Da war kein Mädchen wie Moon.« Ich sprach in die erwartungsvollen, kalten Augen der Mutter. Sie hatten alle solche Augen, die Mozarts. Blau. Heller und intensiver als Moons Augen. Kühl. Martys Augen waren blasser, grauer, nicht ganz so strahlend. Ernster. Vielleicht würde er nie so gut lügen können. Nie so perfekt sein. Nie so verächtlich wie sein älterer Bruder. Du machst mich krank, Savannah … Hoffentlich würde Marty nie so eine Stimme haben, eine Stimme wie splitterndes Eis.
    »Das hätte ich doch gemerkt«, sagte ich und hoffte, dass ich nicht zu dick auftrug, dass Gandhis Rat mich weiterbrachte. »Die waren alle viel hässlicher als wir in Neustadt. Mit schmutzigen, strähnigen Haaren.«
    Ich dachte nicht: Vergib mir, Jeska. Ich hörte auf, an sie zu denken. Stattdessen war ich Pi, benebelt, dumm, und doch nie so glücklich wie alle anderen. »Hier sind die Häuser viel hübscher.«
    »Sie war da!« Frau Mozart beugte sich vor. Selbst ihr Atem roch nach Pfefferminz. »Sie war da, verdammt noch mal!«
    »Vielleicht hast du sie nicht erkannt, weil sie einen Helm trug«, warf Happiness ein.
    »Als ich den Helm genommen habe, war da kein Mädchen.«
    Die beiden Frauen sahen sich an. »Wenn sie Savannah nicht in ihr Dorf gebracht haben, ist sie tot«, flüsterte Frau Mozart.
    »Nein«, widersprach Happiness. »Das muss gar nichts heißen. Und sie haben gar keine richtigen Dörfer da draußen.«
    »Meine einzige Tochter liegt irgendwo in einem Gebüsch, nackt und geschändet.« Frau Mozart schüttelte die Hand der Beamtin ab und wandte sich wieder mir zu. »Warum hast du das gemacht? Den Helm und die Kleidung genommen? Hattest du keine Angst vor dem Hubschrauber? Vor den Jägern?«
    »Aber ich gehöre doch hierher«, sagte ich treuherzig. Es gelang mir, ihren Blick auszuhalten. Ich verbannte jedes Gefühl aus mir, wehrte alle Gedanken ab. Einen Moment lang war ich so ehrlich, wie ich nur konnte. Meine Sehnsucht nach zu

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