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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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wobei sie eine glitzernde Schneeflocke aus ihren Haaren fegte. »Geht klar, Sportsfreund!« Ihre nackten Zehen verschwanden fast in dem üppigen Teppich, und mir fiel auf, wie schön ihre Füße waren und wie perfekt ihre Fesseln und Waden, und als sie mit einem kleinen Glucksen zur Tür tänzelte, wollte ich sie aufhalten, ich wollte rufen: Lieber nicht, es könnte gefährlich sein!, aber ich rief sie nicht.
    Es verwirrte mich viel zu sehr, dass ich klarer sah als sie. Stattdessen gehorchte ich.
    Wir verteilten uns, entsprechend unserer Befehle. Ich schlich auf den Gang hinaus. Lucky folgte mir zum Treppenhaus, doch während ich über das Geländer in die Tiefe spähte, stieg er die Stufen weiter hinauf. Wir befanden uns schon im zweitobersten Stockwerk, daher hörte ich seine Schritte über mir. Wir waren allein hier, und trotzdem zuckte ich zusammen, als er an eine Metalltür schlug.
    »Sie ist auf«, rief er zu mir hinunter und verschwand.
    Ich wachte darüber, dass niemand das Treppenhaus betrat, während er oben auf dem Dach war. Mit hämmerndem Herzen horchte ich auf jedes Geräusch. Das Gebäude war still. Doch nicht still genug. Wenn man lange genug wartete, schien es zu singen. Es knackte. Vibrierte. Dröhnte. Vielleicht der Lärm der Stadt? Nie zuvor war mir die Nacht so laut vorgekommen. Schritte hallten hinter mir auf dem Flur. Ich biss die Zähne zusammen, um nicht bei jedem Knistern nachzusehen, ob es einer von uns war oder jemand Fremdes.
    Schließlich knarrte die obere Tür wieder, und wenig später stieg Lucky in unsere Etage hinunter.
    »Wenn die Empfangsdame die Wachen gerufen hätte, wären die längst hier. Gehen wir ins Appartement zurück.«
    Auch die anderen meldeten nichts Auffälliges, und diesmal widersetzte Orion sich nicht, als Lucky auf einer Untersuchung bestand.
    »Frühlingswetter!«, keuchte Moon, als Orions blutüberströmter Rücken sichtbar wurde. Die Wunde befand sich oben an der Schulter, von da aus war das ganze Blut über seine Haut geflossen und hatte seine Sachen durchtränkt. »Warum haben sie eigentlich auf euch geschossen?« Sie stellte die Frage, die auch mir schon die ganze Zeit auf der Zunge lag.
    In meinem Kopf formte sich bereits eine Antwort … aber noch war sie viel zu verschwommen, um sie auszusprechen.
    »Ist es tief?«, wollte Orion wissen.
    »Keine Ahnung«, meinte Lucky. »Kannst du ein paar Handtücher holen, Pi?«
    Ich lugte ins Bad, das glücklicherweise in schlichtem Weiß gehalten war und kein einziges lavendelfarbenes Accessoire enthielt. Handtücher gab es jedoch auch keine.
    »Lufttrockner«, stellte ich fest.
    Während Moon sich über das in den Boden eingelassene Sprudelbecken freute – »Dabei kann man dann fernsehen, ist das nicht genial?« – halfen Lucky und ich Orion ins Bad und reinigten mit Hilfe von Kosmetiktüchern seine Haut. Die Wunde war kleiner, als ich befürchtet hatte, eigentlich nur ein winziges rundes Loch.
    »Tut es nicht schrecklich weh?«, fragte ich.
    Orion grunzte nur.
    »Die Kugel ist bestimmt noch drin«, meinte Lucky. »Aber selbst wenn hier eine Pinzette wäre … das ist eine Nummer zu groß für uns.«
    »Geht auch eine Nagelfeile?«, fragte Orion. »Moon hat doch eine.«
    Bei der Vorstellung, in der blutigen Wunde herumzustochern, wurde mir leicht anders und ich musste mich am Waschbecken festhalten.
    »Du solltest wirklich nach Hause fahren«, meinte Lucky gepresst. Die Niederlage in seinen Augen traf mich mehr, als ich wollte, es war wie ein Schlag ins Gesicht. Als wäre Orions Flucht auch seine, Orions Scheitern unseres.
    Aber war es nicht schon immer so gewesen? Während die Athleten auf dem Spielfeld kämpften, sahen wir ihnen zu und jubelten.
    »Wer spricht von nach Hause fahren? Ich werde auf die nächste Gelegenheit warten.« Orion erklärte die Untersuchung für beendet, indem er vom Hocker aufstand und damit seine Schulter aus unserer Reichweite brachte.
    »He, ihr Süßen!« Moon erschien an der Badtür. »Das müsst ihr euch ansehen! Minister Mozart ist im Fernsehen, der Mann von Truth Mozart!«
    Als Ehemann ihrer Lieblingsdesignerin war er für die meisten Jugendlichen automatisch ihr Lieblingspolitiker. Ich konnte die Regierungsmitglieder kaum voneinander unterscheiden, für mich sahen sie alle irgendwie gleich aus. Auch dieser hier hatte das faltenlose Gesicht eines erfolgreichen Mannes und die energische Sprechweise eines Politikers, der genau über alles Bescheid wusste und keine Zweifel kannte. Wie

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