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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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alle. Was er sagte, interessierte mich genauso wenig wie sonst, doch bei dem Wort »Verbrechen« horchte ich auf.
    »Der neue Mensch sorgt für seine Mitmenschen und betrachtet sie als Geschwister«, sagte der Minister gerade. »Umso tragischer ist es, wenn in unserer Mitte Dinge geschehen, die nicht damit zu vereinbaren sind, dass wir uns als eine große Familie begreifen. Hin und wieder fallen Einzelne auf eine primitivere Stufe der Evolution zurück.«
    Er meinte uns, oder?
    »Dr. Jubel Mozart«, sagte Moon selig, mitten in die nächsten Sätze hinein. »Unser Glücksminister. Sieht ziemlich gut aus, was?«
    »Was hat er gesagt?«, fragte Lucky.
    »Achtet auf die Krawatte! Echtes Kids-for-freedom-Design. Er trägt immer die Entwürfe seiner Frau, exklusiv für ihn genäht.«
    »Sei doch endlich still! Jetzt haben wir verpasst, was er gesagt hat. Suchen sie nach uns?« Lucky war sauer.
    »Oh, das haben sie eben schon einmal gesendet, als ihr im Badezimmer wart«, meinte Moon ungerührt. »In ein paar Tagen schicken sie alle Verbrecher, die sie in den letzten Monaten eingesammelt haben, durchs Tor in die Wildnis.«
    »Was?« Sogar Orion hing an ihren Lippen. »Sie tun was?«
    »Da könntet ihr euch gleich einreihen.« Sie schien diesen Gedanken höchst amüsant zu finden. »Sie haben ein paar Bilder gezeigt, diese Kriminellen sahen echt irre aus, mit glühenden Augen und zerzaustem Bart und so. Das waren keine neuen Menschen. Unterschicht«, fügte sie weise hinzu. »Bei der Evolution bleibt immer ein gewisser Ausschuss auf der Strecke.«
    »Aber in Neustadt gibt es doch gar keine Verbrechen.« Ich fühlte mich wie vor den Kopf gestoßen. »Das ist völlig unmöglich.«
    »Wir sind nicht die Einzigen«, murmelte Lucky.
    »Trotzdem seltsam«, meinte Orion stirnrunzelnd. »Wie oft haben sie uns gezeigt, wie Kranke ans Tor gebracht wurden?« Wir alle hatten durchs Fernsehen miterlebt, wie Kranke oder unheilbar Verrückte in die Wildnis geschickt wurden. Das Tor öffnete sich vor ihnen, sie marschierten durch, ein paar Leute standen da und winkten, und dann war es auch schon wieder vorbei. Nichts Spektakuläres. »Kein einziges Mal haben sie dabei Verbrecher erwähnt. Warum ausgerechnet jetzt?«
    »Gut, dass wir die los sind. Solche Elemente passen nicht nach Neustadt«, fand Moon, die ihre schmutzigen Füße in den Whirlpool hielt und mit den Zehen versuchte, Luftbläschen zu fangen.
    Orion, immer noch mit nacktem Oberkörper, war nicht mehr ganz so blass. Seine Augen leuchteten auf. »Das ist meine Chance.«
    »Du kannst dich nicht einfach dazustellen«, widersprach ich. »Sie werden dich umbringen.« Beide Jungen sahen mich jetzt an. Es war viel zu schrecklich, diesen Gedanken auszusprechen, aber noch schrecklicher wäre es gewesen, ihn im Kopf zu behalten. »Das war kein Zufall, vorhin. Wisst ihr nicht mehr, der Schüler, von dem Jupiter erzählt hat? Der gestorben ist, nachdem er seine Glücksgabe verpasst hat? Nach dem heutigen Tag bezweifle ich, dass das bloß Herzversagen oder sowas war.«
    »Warum sollten sie jemanden umbringen, nur weil er aus dem Glücksstrom fällt?«, fragte Lucky. »Dann wären wir ja alle dran.«
    »Ich weiß nicht, ob es so ist.« Ich wollte diesen Gedanken nicht verteidigen. Ich wollte nicht, dass es stimmte.
    »Ein Grund mehr, um so schnell wie möglich zu verschwinden«, sagte Orion leise.
    »Im Gegenteil«, widersprach ich. »Das ist ein sehr guter Grund, um sich bis nächsten Dienstag unauffällig zu verhalten. Ich lege keinen Wert darauf, herauszufinden, was sie mit uns tun würden.« In die Wildnis verbannen? Umbringen? Oder aus dem Partnerprogramm nehmen? »Ich glaube, ich kann ganz gut damit leben, wenn ich es nie erfahre.«
    Moon beteiligte sich nicht an der Diskussion. Sie badete ihre Füße und tippte auf ihrem Tom herum. »Ich habe uns was zu essen bestellt«, erklärte sie.
    Ich fragte nicht nach, was. So wie ich Moon kannte, würde es eine Sojapizza mit Vitaminen sein.
    »Und bis dahin gehe ich runter in den Shop und besorge dir was zum Anziehen, Orion. Kommst du mit, Pi? Über seine Maße weißt du sicher besser Bescheid als ich.«
    »Dafür ist keine Zeit«, murmelte er.
    Aber Lucky nickte. »Hab Geduld, Orion«, sagte er leise. »Moon hat recht – wenigstens in dieser Hinsicht. Wir müssen uns ausruhen. Und etwas zu uns nehmen. Sie werden das Tor nicht schon heute Nacht öffnen.«
    »Und wenn doch?« Orion knirschte mit den Zähnen.
    Nichts von dem, was ich gesagt

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