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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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Augen, die Nase, der Mund. Sie war wunderschön, und doch brachte ich es in diesem Moment nicht alles zusammen, war es, als würde sie in ihre Einzelteile auseinanderfallen. Moons blaue Augen. Moons Stimme. Moons Hand auf meinem Arm, die immer fester zudrückte, bis ich mir auf die Zunge beißen musste, um nicht zu schreien.
    »Ich liebe ihn«, sagte sie. »Wir wollten eine Familie haben und glücklich sein. Und du? Du schleifst ihn in die Wildnis, wo er krank werden und sterben wird. Du willst lieber, dass er tot ist, als dass er mir gehört? Und das soll Liebe sein?«
    Moon war klug, und sie war nicht blind. Wie hatte ich hoffen können, dass sie nicht merkte, was zwischen mir und Lucky abging, oder dass es ihr egal war? Sie war es gewöhnt, dass er alle abküsste, aber jetzt, wo sie fühlen konnte …
    »Du verstehst das nicht«, sagte ich, und in diesem Moment wurde mir bewusst, dass Lucky und ich einander immer verstanden hatten, dass wir wussten, was im anderen vor sich ging. Mit untrüglicher Sicherheit wusste ich, dass ich dasselbe wollte wie er: frei sein. Bis jetzt hatte ich daran gezweifelt, ob diese Flucht richtig war. Doch jetzt sah ich endlich klar: Nur dort draußen konnten wir zusammen sein.
    »Du weißt überhaupt nichts über ihn.«
    Star traf bei uns ein, aber Moon redete einfach weiter.
    »Ich weiß genug über dich«, sagte sie. »Du bist ein Parasit, Pi. Du hast dich an mich gehängt, damit ich deine Hausaufgaben mache und dich durch die Schule bringe. Damit du ohne aufzufallen alles schaffst und einen guten Abschluss hinkriegst. Du hast dich von mir überallhin kutschieren lassen, du hast mich dazu gebracht, dich aus Mitleid mit Geschenken zu überhäufen. Du bist gegen die Türen gelaufen und gestolpert, damit jeder dich unterschätzt und niemand merkt, dass du ein intrigantes kleines Miststück bist. Wie du es wagen kannst, dich an meinen Freund heranzumachen, ist mir ein Rätsel. Aber dass du uns alle in den sicheren Tod schicken willst – das geht über meinen Verstand. Vielleicht ist das ja sogar eine Falle? Du wartest, bis wir alle loslaufen, dann schnappst du dir Lucky und gehst gemütlich zurück nach Hause? Ist es das, was du vorhast?«
    Ich war sprachlos.
    Die Flut an Anschuldigungen lähmte mich; ich dachte nicht einmal daran, Moon zu schlagen, ihr die Haare auszureißen oder ihr das Gesicht zu zerkratzen. Stattdessen starrte ich sie nur an und fühlte, wie das Herz in meiner Brust ein paar Schläge aussetzte und wie mir die Kälte die Waden hochkroch. Die Dunkelheit jenseits des Zauns wehte mich an, sie trug den Duft und den Geschmack puren Entsetzens mit sich. Dann, als mein Denken wieder einsetzte, erinnerte ich mich daran, wie schön ich Moon immer gefunden hatte. Für mich war sie das hübscheste Mädchen in der ganzen Schule gewesen, wenn nicht überhaupt auf der ganzen Welt. Ich hatte sie uneingeschränkt bewundert, ich hatte sie geliebt, ich hatte mich in ihrer Gegenwart wohlgefühlt … Tausend kleine Szenen liefen vor meinem inneren Auge ab.
    Lucky rannte gebückt über die Straße. Moon verstummte endlich. Sie sagte kein Wort, als er mich umarmte, ohne sie zu beachten. Auf einmal wollte ich ihn nicht mehr loslassen. Ich schlang die Arme um seine Mitte und klammerte mich an ihn.
    »Wir werden nicht sterben«, wisperte er in mein Ohr. »Wir schaffen es, Pi. Morgen früh, wenn die Sonne aufgeht, sind wir längst drüben, und ein neues Leben beginnt.«
    »Und wenn sie uns erschießen?«, fragte ich.
    »Davor fürchte ich mich nicht«, sagte er, und er sagte es so, dass ich ihm glaubte und doch weinen wollte, denn die Wagen kamen immer näher und brausten an unserem Versteck vorbei.
    Jetzt stand der Augenblick unserer Flucht unmittelbar bevor.
    »Kommt«, sagte Orion. »Bleibt dicht hinter mir.«
    Lucky küsste mich auf die Nasenspitze und drückte meine Hand.
    »Egal was geschieht – wir sind frei gewesen. Diese Tage kann uns niemand nehmen«, sagte Lucky, doch so laut, dass ihn auch die anderen hörten.
    »Jetzt«, entschied Orion.
    Wir wagten uns aus der Deckung und liefen zwischen den Häusern hindurch, dem Konvoi nach. Der Gefangenentransporter hielt; die anderen Wagen warteten, während er wendete, sodass seine Rückseite in Richtung Tor zeigte. Wächter strömten auf die Straße, auch ein Fernsehteam packte seine Sachen aus. Ob wohl Jupiters Onkel dabei war?
    Fälschlicherweise hatte ich einen Festakt erwartet, eine Rede an die Verbrecher oder so, ein bisschen Musik

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