Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
Vom Netzwerk:
Menschen, die gegen die Regierung arbeiten? Wenn das wahr ist, befinden wir uns im Krieg.« Ich durfte mich nicht der Illusion hingeben, wir hätten irgendwo da draußen Verbündete.
    Lucky berührte meinen Arm, tastete, bis er meine Hand gefunden hatte. »Wo warst du all die Jahre über?«, fragte er. »Und wer war das Mädchen, das ständig bei Moon die Hausaufgaben abgeschrieben hat?«
    »Keine Ahnung.« Ich freute mich über das Kompliment, tat aber bescheiden. »Ein Hologramm?«
    Er war nur ein dunkler Schemen neben mir. Sein warmer Atem streifte mein Gesicht. Sein Mund fand mein Gesicht, berührte meine Stirn, meine Augen, meine Wangen. Unsere Lippen trafen sich.
    Die anderen konnten uns nicht sehen. Wir waren unsichtbar. Unhörbar. Während wir uns küssten, rückte die ganze Welt von uns fort.
    Es gab keine Angst mehr, keine Sorgen. Ob die Flucht gelang oder nicht, wurde unwichtig. Es gab nur ihn und mich und das, was zwischen uns aufbrannte.
    Seine Hand legte sich noch einmal an mein Haar, formte eine Schale an meiner Wange. Alle Zweifel verflogen. Nur ein ungebetener Gedanke stahl sich durch dieses flammende neue Glück: Was ist mit Moon?
    Wie konnte ich Moon unglücklich machen?
    Nein, Moon hatte ein großes Herz. Sie würde verstehen, dass wir zueinander gehörten, sie würde mir Lucky gönnen. Vielleicht, wenn wir erst in der Wildnis waren, würde sie sich mit Orion anfreunden. Sie hatte oft genug erwähnt, dass sie ihn attraktiv fand.
    Mit der Nacht kam die Kälte. Ich fror, doch gleichzeitig brannte die Aufregung in mir, die Angst davor, dass es schiefgehen würde, und dahinter, verborgener und doch nicht zu leugnen, die Angst davor, was geschehen würde, wenn uns die Flucht tatsächlich gelang.
    Die Wildnis. Was erwartete uns dort draußen?
    Wenn wir in einer Gruppe von Verbrechern die Stadt verließen, wer garantierte dafür, dass sie uns nichts antaten? Orion war stark, aber er war verletzt. Lucky hatte bewiesen, dass er kämpfen konnte, doch würde es reichen? Und selbst wenn wir den Kriminellen entkamen, was lauerte noch in der undurchdringlichen Nacht? Menschen wie Raubtiere. Menschen mit wilden Gefühlen, die gegeneinander kämpften, sich umbrachten, sich mit Krankheiten ansteckten.
    Ich fasste Luckys Hand fester.
    Die Stunden zogen langsam an uns vorbei; es war, als würde die Nacht durch uns hindurchkriechen. Mir war so kalt, dass ich meine Zähne daran hindern musste zu klappern.
    »Da sind sie«, flüsterte Orion.
    Ein Konvoi aus Fahrzeugen brauste heran, ihre runden Lichter waren schon von weitem zu erkennen. Lucky legte mir den Arm um die Schultern, und ich stellte mich dicht vor ihn und legte den Kopf an seine Schulter. Er war nur ein wenig größer als ich. Sein Kinn streifte meine Wange. »Gleich geht es los«, flüsterte er.
    »Wir laufen dort vorne hin«, sagte Orion. »Dort, unter die Laterne, seht ihr? Nicht alle auf einmal, einer nach dem anderen. Fang du an, Peas.«
    Als ich mich ins Licht hinauswagte und in die Deckung einer Mauer lief, die uns zur Straße hin abschirmte, spürte ich nichts, keine Angst, keine Aufregung. Nur mein wild pochendes Herz. Wenig später schob Moon sich an meine Seite. »Willst du das wirklich durchziehen?«, flüsterte sie.
    »Ja«, sagte ich, obwohl die Furcht mir riet, nach Hause zu fahren und alle Konsequenzen in Kauf zu nehmen, die uns dort erwarteten. Was auch geschah, welche Standpauken wir uns auch anhören mussten – alles war besser, als in die Wildnis abgeschoben zu werden. Wie konnte man sich freiwillig dafür entscheiden? Es war verrückt.
    Aber genauso verrückt war dieses wilde Gefühl in mir, dieses neue Fühlen, das so stark war, dass nicht einmal meine Angst dagegen ankam: dieses Gefühl, endlich ich zu sein.
    »Wir werden alle sterben«, sagte Moon mit einem Blick, der mich frösteln ließ. »Ist dir das eigentlich klar? Wie kannst du das tun, Pi?«
    »Wir können nicht zulassen, dass sie uns wieder in willenlose Marionetten verwandeln.«
    »Willenlos?«, fragte sie leise. »Wir waren glücklich. Ich wusste immer, was ich wollte. Wenn du das nicht wusstest, kann ich ja nichts dafür. Ich war glücklich, so wie es war. Die Schule, die Zukunft, die uns bevorsteht. Lucky. Ich war glücklich mit Lucky, weißt du?«
    »Lucky wurde dir zugeteilt«, sagte ich. »Es war nie eure eigene Entscheidung.«
    Im schwachen Licht versuchte ich ihr Gesicht zu lesen. Schatten flackerten darüber hinweg. Ihr Haar wogte um ihre Wangen. Da waren die

Weitere Kostenlose Bücher