Wild und gefaehrlich
von dir gehört. Hoffentlich führt sich deine Chefin nicht auf wie in Der Teufel trägt Prada. Hier im ollen Waverly geht alles seinen gewohnten Gang – am Wochenende plane ich allerdings, zur verräterischen Eule zu werden: Ich feuere die Footballer von St. Lucius an, weil Jeremiah wieder zu mir zurückgekommen ist. Na ja, eigentlich feuere ich nur ihn an. Er war so umwerfend in letzter Zeit, dass ich vorhabe, ihn demnächst zu belohnen … Ich halte dich auf dem Laufenden. Keine Sorge, bleibe immer Deine kleine Schwester
;)
4 Zu bestimmten Zeiten können Waverly-Eulen das Field House für gymnastische Übungen nutzen
Brett Messerschmidt hatte keine Zeit, zwischen den Unterrichtsstunden am Nachmittag ihre E-Mails zu checken. Sie musste noch ihren Abschnitt von Ovids Metamorphosen für den Fortgeschrittenenkurs Latein am Ende des Nachmittags übersetzen. Bis vor drei Wochen hatte sie sich verflucht, dass sie sich nicht für den Anfängerkurs gemeldet hatte, der von dem verführerischen Mr Dalton gehalten wurde. Aufgrund eines sexuellen Techtelmechtels mit einer Schülerin namens Brett war der allerdings mittlerweile gefeuert worden. Inzwischen war Brett dankbar, dass sie von der geschlechtslos wirkenden, über vierzigjährigen Mrs Graver unterrichtet wurde, und nicht von einem gewissen Mann , mit dem sie – um ein Haar – geschlafen hatte. Seit eineinhalb Wochen war sie wieder mit dem wahnsinnig in sie verliebten Jeremiah zusammen, und fast alle Erinnerungen daran, dass sie sich wegen Mr Dalton total zum Narren gemacht hatte, waren ausgelöscht. Fast alle.
Nach Latein schnappte sich Brett ihren smaragdgrünen Pasha & Jo-Regenmantel und machte sich rasch auf zum Field House, in dem alle Teams von Waverly ihre Sportgeräte aufbewahrten. Sie wollte noch ein paar Torschüsse üben, ehe die anderen vom Feldhockey-Team aufkreuzten. Aber an der schweren Metalltür hing ein Zettel, dass sich das Team heute in Lasell treffen sollte. Oh Mann! Sollte sie jetzt etwa den ganzen Weg zurück über den Campus laufen, in diesem Regen, der ihre Haare kraus werden ließ? Brett rüttelte an der Tür. Sie war nicht abgeschlossen. Sie grinste und zog ihr Handy heraus.
Fünfunddreißig Minuten später lag sie auf einer blauen Hochsprungmatte neben Jeremiah. Ihre Körper sanken ein und Brett genoss die geisterhaft-romantische Atmosphäre des Field House.
»Von innen hab ich den Schuppen noch nie gesehen.« Jeremiah sah zu der hohen Decke hinauf. Er hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Der Regen trommelte auf das Aluminiumdach.
Brett drehte sich auf die Seite, um ihn anzusehen. Sie war froh, dass ihr Zigeunerrock aus indianisch bedruckter Baumwolle, ein Einzelstück, absichtlich verdrückt aussehen sollte. Eine kurze rote Haarsträhne – diejenige, die ihr immer ins Gesicht fiel, egal mit wie vielen Klammern Brett sie feststecktehing ihr vor den Augen, und sie hatte das Gefühl, Jeremiah durch einen dünnen Gazevorhang anzusehen.
Ehe sie Jeremiah getroffen hatte, stand Brett nicht auf Sportler-Typen. Sie fand immer ältere Männer anziehend – gut gekleidet, elegant, vielleicht sogar Europäer – wie Gunther, der Schweizer, den sie im Skiurlaub kennengelernt und an den sie ihre Jungfräulichkeit verloren hatte. Angeblich. Aber jetzt, wo die Sache mit Jeremiah so gut lief, wollte sie alle hängen gebliebenen Missverständnisse zwischen ihnen ausräumen. Sie war nicht ganz offen zu Jeremiah gewesen. Er nahm an, sie sei das weltgewandte, reife, erfahrene Mädchen, das sie zu sein vorgab, seit sie Waverly besuchte. Diese Vermutung schloss die (vorgetäuschte) Tatsache ein, dass sie keine Jungfrau mehr war. Sie hatte sich nicht bemüht, das Missverständnis aufzuklären, selbst nachdem er ihr seine »Jungfräulichkeit« gestanden hatte. Brett wusste, dass es dumm und unreif war, etwas vorzutäuschen, was man gar nicht war, aber es hatte sie selbstsicherer in ihrer Beziehung gemacht. Es gefiel ihr, diejenige zu sein, die die Spielregeln bestimmte, die Grenzen zog, die schon in der Welt herumgekommen war. Abgesehen davon war sie bisher einfach noch nicht bereit gewesen, Jeremiah die Wahrheit zu sagen oder ihre Jungfräulichkeit zu verlieren.
Aber nun, nach der Eric-Dalton-Geschichte, hatte sich manches verändert.
»Kriegst du keinen Ärger, wenn du das Training schwänzt, um dich mit deiner Freundin zu treffen?«, fragte sie kokett und ließ den Finger sanft über Jeremiahs breite Brust gleiten. Er war so... zum
Weitere Kostenlose Bücher