Wild und gefaehrlich
ablehnen kannst. wir treffen uns dort um mitternacht – falls du um die zeit noch nicht im bett sein musst.
JulianMcCafferty:
ich bring meine schmusedecke mit.
5 Eine Waverly-Eule ist allzeit bereit, einer anderen Nachteule zur Hand zu gehen
Tinsley Carmichael öffnete das Fenster in ihrem Zimmer im ersten Stock und zuckte zusammen, als es laut quietschte. Doch dann überlegte sie, dass es ihr eigentlich völlig einerlei war, ob es fast Mitternacht war und Brett aufwachen würde. Sie warf einen Blick auf den reglosen Körper ihrer Mitbewohnerin, die sich tief unter ihrer knallig pinkfarbenen indischen Decke eingegraben hatte. Tinsley musste fast grinsen. Brett schlief immer, als ob sie im Koma läge. Irgendwie hatten sie beide es sich angewöhnt, während Callies Anfällen von Schnarcherei und Selbstgesprächen weiterzuschlafen.
Tinsley, in ihrem seidenen Pyjama, seufzte, zog sich hinauf auf das Fensterbrett und ließ ein Bein nach draußen baumeln. Sie lehnte sich zurück und schüttelte eine Zigarette aus dem frischen Päckchen Marlboro Ultra Lights. Nach einem weiteren endlosen, spannungsgeladenen Abend mit der bockigen Brett war es herrlich, zu rauchen. Sie war wahrscheinlich eine der allerletzten Dumbarton-Bewohnerinnen, die jetzt noch wach waren. Als sie vom Zähneputzen zurückgekommen war, hatte sie das verhuschte kleine Mädchen aus dem Nebenzimmer getroffen – in einem hässlichen dunkelbraunen Bademantel aus Frottee, ein dickes schwarzes Handtuch über der Schulter. Hm, na ja. Sie hatte die andere schon mehrmals zu so unnatürlich später Stunde duschen gehen sehen – offensichtlich konnte sie nur duschen, wenn alle anderen im Haus schliefen. Und da die Pardee noch nie gemeckert hatte, dass dieses Mädchen glasklar gegen die Licht-aus-Regel verstieß, gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder hatte dieses verhuschte Wesen was gegen die Pardee in der Hand (vielleicht war Tinsley nicht die Einzige, die wusste, dass sie mit dem verheirateten Dekan rummachte?), oder die Pardee duldete den Regelverstoß, weil die mitternächtliche Dusch-Session das Einzige war, was die Kleine vor der Klapsmühle bewahrte.
Bretts und Tinsleys Wohnsituation war mindestens so beschissen wie die von Callie und Jenny. Brett stand dieses Jahr auf Tinsleys Abschussliste, nachdem sie sich zwei dicke Verstöße gegen Tinsleys Freundschafts-Regeln geleistet hatte. Erstens hatte sie auf Kumpel mit Jenny Humphrey gemacht – als ob es Jenny gewesen wäre, die Brett letztes Jahr den Hintern gerettet hatte, indem sie die Schuld an dem Ecstasy-Vorfall auf dem Sportfeld auf sich nahm! Und zweitens war da diese leidige Eric-Dalton-Geschichte. Brett schlief quasi schon mit dem Kerl, befand es aber nicht für nötig, ihr davon zu erzählen! Da konnte Tinsley gar nicht anders, als Brett diesen Mr Dalton auszuspannen. Es pisste sie an, wenn Freundinnen sich so unsolidarisch verhielten. Es machte sie rasend.
Vielleicht lag es daran, dass sie sich ein bisschen mies vorkam – nicht schuldig , nur mies -, wie die Sache mit Dalton dann ausgegangen war. Sie hatte nur gewollt, dass Brett sie wieder mit offenen Armen in Waverly willkommen hieß – war das zu viel verlangt von einer angeblich besten Freundin? Bretts abweisende Haltung hatte sie gekränkt, und sie hatte ein bisschen zurückgeschlagen – zugegeben, vielleicht ein bisschen zu heftig. Aber musste Brett auch immer alles so ernst nehmen? Sie hatte diesen Dalton schließlich nicht heiraten wollen. Außerdem: Hätte Tinsley ihr Dalton nicht weggeschnappt, wäre Brett doch nie wieder mit Jeremiah zusammengekommen. Das lag doch klar auf der Hand. Brett sollte ihr lieber auf Knien danken!
Auf eine gewisse Weise amüsierte Tinsley der Krach mit Brett, besonders seit Brett sich wehrte. Zuerst hatte Brett das Zimmer einige Tage lang gemieden. Doch dann war es, als ob sie merkte, dass ihr was entging. Sie fing also an, immer häufiger im Raum zu sein, laut ihre Musik zu spielen, mit Jeremiah oder ihrer Schwester zu telefonieren und darauf zu warten, dass sich Tinsley beschwerte. Einen Abend hatte Brett sogar ihre nervtötend übereifrige Chemie-Gruppe mitgebracht und sie hatten mit Flashkarten chemische Formeln und Gleichungen gelernt. Tinsley hatte schweigend an ihrem Schreibtisch gesessen und das Treiben um Elektrolyse und Glukosereaktion eiskalt ignoriert. Streber! Heute Abend hatten sie und Brett wieder an ihren Tischen gesessen, kaum zwei Meter voneinander entfernt hatten sie
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