Wild und gefaehrlich
Sie zuckte mit den knochigen Schultern. »Da war es, glaube ich, für ihn unkomplizierter, mich mitzunehmen, weil ich seinen Vater schon kannte.«
Kara lächelte Jenny an, als wollte sie sagen: »Ich hab’s ja gesagt.« Jenny lächelte schwach. Das machte die Sache nicht viel besser. Callie würde immer diejenige sein, die Easy länger kannte als sie – daran war nichts zu rütteln, es sei denn, sie fand einen Weg, die Zeit umzukehren. Es war zum Verzweifeln ungerecht.
Ein Blick auf Jennys Gesicht genügte Callie, und sie wusste, dass diese kurz davor war, sich in ein heulendes Häufchen Elend zu verwandeln. Es war wohl besser, den Kuss-im-Schrank nicht zu erwähnen. Warum sollte sie Jenny etwas auf die Nase binden, was deren Nerven nur noch mehr strapazieren würde? Etwas, das sie gar nicht erfahren musste?
Callie versuchte, ganz natürlich zu klingen. »Tinsley ging es allein darum... gemein zu sein. Sie will immer so viel Ärger anzetteln wie möglich, das weißt du doch!« Sie hoffte, dass sie mit ihrer Lüge kein schlechtes Karma heraufbeschwor. Und mal ehrlich: Es wäre schlicht grausam gewesen, Jenny von dem Kuss zu erzählen.
»Ich würde sagen, Tinsleys Masche war mal wieder ein voller Erfolg.« Brett kam ins Zimmer geschlendert. Ihre Augen waren rot und angeschwollen, und ihr Haar war strähnig, als sei sie viel zu oft mit den Händen durchgefahren. Sie warf sich auf Jennys Bett. Jenny legte ihr die Hand auf die Schulter, und Callie merkte, wir sehr es ihr fehlte, richtige Freundinnen zu haben. Nicht so eine wie Tinsley, die andere immer nur verletzen wollte, oder wie Benny, die nur nach deftigem Klatsch lechzte.
»Alles in Ordnung, Brett?«, fragte Kara besorgt. Sie trug noch die Partyklamotten – die romantische Bluse und die schwarze ausgestellte Hose. Coole Klamotten.
»Ich werd es überleben. Erst mal.« Brett kickte ihre Schuhe von den Füßen und sie fielen polternd zu Boden. »Aber wenn ihr gerade darüber redet, was Jungs für Ärsche sind, würde mich das bestimmt erleichtern.«
»Hast du Heath tatsächlich einen Becher Bier über den Kopf geschüttet?«, fragte Callie abrupt.
»Nur weil er es voll und ganz verdient hat«, erwiderte Kara. »Er ist so ein Scheißkerl. Ein ganzes Jahr hat er sich mir gegenüber wie ein Arschloch benommen, und jetzt – nachdem ich, na ja, nicht mehr fett bin – glaubt er, er drückt mal kräftig auf die Charme-Tube und ich stürze mich auf ihn?« Karas Wangen röteten sich vor Ärger.
Callie nickte langsam, obwohl sie kein Wort verstand. Jemand musste sie dringend auf den aktuellen Stand der Dinge bringen. Aber Heath eine Ladung Bier über den Kopf zu kippen, klang ziemlich spaßig. Heath bekam doch sonst immer alles auf einem Silbertablett präsentiert – angefangen bei Noten, für die er keinen Strich tat, bis hin zu Mädchen, die er nicht verdiente. War ja mal an der Zeit, dass ihm jemand den Kopf wusch. »Haben eigentlich alle Jungen so ein extrem schlechtes Gedächtnis?«, fragte Callie und dachte natürlich an Easy. Hatte er schon vergessen, dass er mit ihr Schluss gemacht hatte? Dass er ein ganzes Jahr mit ihr zusammen gewesen war, bis er auf einmal beschlossen hatte, dass er sie nicht mehr wollte? Um sich dann zwei Wochen später zu denken: Was soll’s? Ich kann sie doch mal zum Essen einladen und küssen – wer ist schon Jenny? Grrr! Es war nicht richtig, jemanden so zu behandeln, und Callie kam sich dumm vor, dass es so weit gekommen war. »Hat es vielleicht was mit ihrem Testosteron zu tun?«
»Du meinst, wegen dem Testosteron denken sie mit dem Schwanz?« Brett setzte sich auf. »He, das ist doch widerlich. Wir denken doch auch nicht mit unseren Eierstöcken.« Ihre Hände waren zu Fäusten geballt und sie wirkte noch wütender als beim Verlassen der Party.
»Bitte, reden wir nicht von unseren Fortpflanzungsorganen«, meldete sich Callie zu Wort. »Da bin ich empfindlich.«
»Penis. Hoden. Eileiter. Gebärmutter«, trompetete Kara schnell heraus, und Callie hielt sich die Ohren zu. Alle brachen in Gelächter aus, sogar Jenny und Brett.
»Können wir nicht einfach festhalten, dass alle Kerle Idioten sind? Zumindest von Zeit zu Zeit?« Callie rieb sich den Nacken, der nach dem stressigen Abend völlig verspannt war.
»Jungs verhalten sich nur wie Idioten, wenn man sie lässt«, erklärte Kara und fuhr mit dem Finger über Callies Steppdecke. »Was, wenn alle Mädchen beschließen, ihnen das nicht mehr durchgehen zu lassen?«
»Dann
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