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Wild wie das Meer (German Edition)

Wild wie das Meer (German Edition)

Titel: Wild wie das Meer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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und dann gewahrte sie ihn auf dem Quarterdeck. Sie erstarrte. Er gab offenkundig Befehle. Einzelne Strähnen des zusammengebundenen Haars hatten sich im böigen Wind gelöst. Die Brise blähte das immer noch blutverschmierte Hemd und drückte es ihm enger an seinen Körper, sodass sich die kraftvoll geformte Brust deutlich abzeichnete. Seine ganze Haltung war gebieterisch. Viel zu gebieterisch, um ihn für einen dahergelaufenen Bauern zu halten, der sich der Freibeuterei verschrieben hatte. Nein, dieser Mann war ein Aristokrat, stellte sie fest, ein Adliger, der verbotene Wege eingeschlagen hatte.
    Da erblickte er sie und starrte aus der Entfernung zu ihr herüber.
    Virginia vermochte kaum noch zu atmen.
    Einen Moment später drehte er ihr den Rücken zu. Die „Defiance“ bäumte sich wie ein Wildpferd auf, das man für ein Rennen freigab. Virginia wurde unsanft gegen die Außenwand der Kajüte geschleudert.
    Sogleich war Gus bei ihr. „Der Captain hat angeordnet, dass Sie unten bleiben sollen, Miss Hughes“, sagte er, vermied indes erneut jeglichen Blickkontakt.
    „Und warum verschließt er dann nicht die Tür?“, fragte sie spitz.
    „Bitte gehen Sie wieder hinein, Miss Hughes. Befehl des Captains“, drängte er sie, und erneut stieg ihm brennend das Blut in die Wangen.
    „Gus!“, rief sie verärgert und packte den Burschen am Handgelenk. „Es interessiert mich nicht, was er angeordnet hat, da er nicht mein Captain ist!“
    Gus blinzelte und musterte sie für einen Moment ungläubig.
    Sie verspürte eine kleine Woge des Triumphs. „Sehen Sie mich bitte an, wenn Sie mit mir sprechen!“
    Er errötete wieder und schaute zur Seite. „Anweisung von oben, Miss.“
    „Verflucht sei Ihr mordender Captain! Zur Hölle mit ihm – und genau da wird er auch eines Tages enden, früher oder später!“, rief sie aus.
    Gus wagte einen zaghaften Blick in ihre Richtung. „Der Wind hat gedreht. Sturm zieht auf. Bitte gehen Sie hinein, ansonsten sehe ich mich gezwungen, Sie hineinzubringen.“
    Virginia gab einen unwirschen, wenig damenhaften Laut von sich, stürmte schnaubend in die Kajüte und schlug die Tür mit einem befriedigenden Knall zu. Sie rechnete damit, dass nun ein Schloss von außen befestigt würde, aber sie vernahm keine derartigen Geräusche. Warum auch, denn sie befanden sich irgendwo auf dem Atlantischen Ozean, und wohin sollte sie schon gehen?
    Sie würde in Portsmouth fliehen.
    Ganz aufgeregt bei dieser Aussicht sank Virginia schwer auf einen der Essstühle. Sie waren noch gut eine Tagesreise von der Küste entfernt, wenn sie die Position richtig mitbekommen hatte. Gewiss wäre sie in der Lage, sich den lüsternen Kapitän für einen Tag vom Hals zu halten – und dann würde sie sich in den kommenden vierundzwanzig Stunden einen Plan zurechtlegen.
    Portsmouth lag in England. Sie würde einen Weg finden, um von dort nach London zu kommen, wo ihr Onkel sie zweifellos erwartete.
    Von neuer Hoffnung erfüllt atmete sie auf.
    Ihr war klar, dass sie im Moment nichts anderes tun konnte, als Pläne zu schmieden. Entsetzlich frierend beäugte sie ihren Koffer. Sie hatte Angst, sich umzuziehen, denn der Kapitän könnte gerade in dem Moment hereinplatzen, wenn sie ohne Kleidung dastünde. Stattdessen rieb sie die Hände aneinander und beschloss, sich weiter auf ihren Fluchtplan zu konzentrieren.
    Minuten später indes hatte sie Mühe, die Augen offen zu halten. Die Lider wurden ihr immer schwerer, und ihr Geist wurde dämmrig. Schließlich lag ihr Kopf auf den Armen, und sie schlief.
    „Sir, sie ist in Ihrer Kajüte“, meldete Gus.
    Devlin erlaubte seinem Ersten Maat, das Ruder zu übernehmen, aber er blieb neben Gus stehen und musterte die hastig vorbeiziehenden Wolken und das trübe Licht des späten Nachmittags. Der plötzliche Temperaturabfall war nicht unbedenklich. Ein Sturm braute sich da zusammen, und nach nunmehr elf Jahren auf See sagte ihm sein untrüglicher Instinkt, dass es diesmal ein heftiger Sturm würde.
    Allerdings hatte das Reffen der Toppsegel noch Zeit. Noch hoffte er, dem Sturm zu entkommen, doch dafür müsste er einen anderen Kurs einschlagen.
    Und in der Kajüte war die Frau. Er sah wieder ihre großen, violett leuchtenden Augen vor sich, die ihn wütend und empört anstarrten. Sie hatte ein kleines Gesicht mit fein gezeichneten Zügen. Doch er verdrängte die ungebetenen Bilder und sah Gus an, der unter seinem Blick errötete. „Hat Ihnen ganz schön zugesetzt, die Kleine,

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