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Wild wie das Meer (German Edition)

Wild wie das Meer (German Edition)

Titel: Wild wie das Meer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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„Americana“.
    Ihr war elend zumute. Sie blickte sich an Deck um und wünschte, sie würde ihr Schicksal kennen. Schließlich wurde sie über das Hauptdeck geleitet, wo die Order des Kapitäns offenbar schon angekommen war, denn sämtliche Crewmitglieder schauten beharrlich woandershin. Augenblicke später befand sie sich mit ihrem Koffer in der Kajüte an Achtern. Die Tür fiel ins Schloss.
    Virginia schlang die Arme um den Leib. Es war geschehen. Sie war die Gefangene des Piratenkapitäns. Eingesperrt in der Kapitänskajüte.
    Sie erschauerte und begriff, dass sie vor Kälte zitterte, denn sie war von Kopf bis Fuß durchnässt. Blinzelnd schaute sie sich in der neuen Unterkunft um. Die Kajüte mochte gut viermal so groß wie ihre enge Kabine auf der „Americana“ sein. Der Raum war sogar luxuriös eingerichtet. Unmittelbar an den Eingangsbereich schloss sich ein niedriges Bett aus Mahagoni an, das am Boden festgeschraubt war. Seidene Steppdecken mit einem forschen rot-schwarz-goldenen Muster zierten die Laken. Ausgesprochen morgenländisch muteten die mit goldenen Quasten verzierten Kissen aus rotem Samt an, die sich auf dem Bett auftürmten. Über dem Bett befanden sich zwei Regale, den Boden bedeckten zwei dunkelrote Perserteppiche. Ein Pult, auf dem allerhand Bücher und Seekarten lagen, war in einer Ecke der Kajüte auf den Dielen verschraubt.
    Der Raum wies darüber hinaus einen kleinen klauenfüßigen Esstisch mit sorgsam polierter Oberfläche und aufwendig gedrechselten Beinen auf. Vier hohe, elegant gepolsterte Stühle mit Streifenmuster vervollständigten das Bild einer anmutigen Tischgruppe. Ein schwarzer chinesischer Wandschirm, verziert mit Perlmutt, stand an der vierten Wand. Hinter dieser Wand schien noch eine kleine Kammer zu sein. Auch eine Wanne aus Porzellan gab es.
    Virginia verzog den Mund und fühlte sich furchtbar unwohl. Sie hasste es, in seinem Quartier zu sein, umgeben von all den persönlichen Dingen dieses Mannes. Schlimmer noch, es missfiel ihr ungemein, dass die Einrichtung sehr viel eleganter war als die in ihrem Zuhause. Sie trat an das Bett und fragte sich mit wachsendem Unbehagen, wo sie schlafen sollte. Auf einem Regalbrett lagen gefaltete Kleidungsstücke – sie hielt sie für Unterwäsche und Strümpfe. Sie sah einen Spiegel, ein Rasiermesser, einen dicken Rasierpinsel, eine Zahnbürste und eine mit Gold verzierte Porzellanschale. Mehrere Kerzen in Ständern aus Sterlingsilber fielen ihr ins Auge.
    Bestürzung mischte sich unter das Unbehagen.
    Auf dem oberen Regal standen Wörterbücher: Französisch-Englisch, Spanisch-Englisch, Deutsch-Englisch, Italienisch-Englisch, Portugiesisch-Englisch sowie Russisch-Englisch. Daneben lehnten zwei kleine abgegriffene Bände, eines mit Phrasen des Arabischen, das andere mit chinesischen Redewendungen.
    War der Mann, der sie gefangen hielt, etwa gebildet? Er hatte einen starken irischen Akzent, aber er benahm sich auch wie ein Aristokrat. Tatsächlich sah er überhaupt nicht aus, wie sie sich einen Piraten vorstellte – er hatte gesunde Zähne und war weder schmutzig noch übel riechend –, abgesehen von dem Blut auf seiner Kleidung. Zudem fiel ihr ein, dass er auch glatt rasiert war.
    Sie konnte es nicht ertragen. Die Kajüte, die seine Gegenwart vorwegnahm, begann sie allmählich zu ersticken. Sie eilte zur Tür, drehte den Knauf und rechnete fest damit, dass sie abgeschlossen wäre. Verblüfft stellte sie fest, dass sie sich öffnen ließ.
    Sie war nicht eingesperrt.
    Durch den Türspalt spähte sie auf den kurzen Korridor und sah, dass die Arbeiten auf der „Americana“ beinahe abgeschlossen waren. Gerade wurde ein neues Hauptsegel entrollt, was nur einen Schluss zuließ: Das Schiff würde alsbald wieder fahrtüchtig sein. Wenn es mir doch gelänge, wieder an Bord zu steigen, dachte sie.
    Sie trat aus der Kajüte. Es war später Nachmittag, und eine steife Brise wehte, die ihr in die Glieder fuhr. Sie zitterte, schirmte die Augen mit einer Hand gegen die Sonne ab und sah zu der „Americana“ hinüber. Kein Beiboot lag mehr längsseits. Selbst wenn ihr ein Fluchtweg eingefallen wäre, wie sie zu dem anderen Schiff hätte kommen können, so war es jetzt zu spät; die Schiffe entfernten sich langsam voneinander.
    Vorsichtig schaute Virginia sich an Deck um. Männer kletterten in den Masten, setzten Segel, refften andere, während eine Gruppe den schweren Anker mit der Winde einholte. Niemand schien sie zu bemerken.
    Sie zögerte,

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