Wilddiebe im Teufelsmoor - Wer raubte das Millionenpferd? - Vampir der Autobahn
war
rassig. Der Mund blühte wie eine Wildrose. Schwarze Augen verschossen feurige
Blicke. Im langen, braunschwarzen Haar steckten mindestens sechs Schmuckkämme.
„Zipzipzip“,
flötete Thilo leise, zu Tim gebeugt. „Rasseweib, was? Das ist Manuela Mai.“
„Aha!“,
nickte Tim, den das Rasseweib keine Spur interessierte.
„Hinreißend
ist sie“, betete Thilo gedämpft vor sich hin.
„Und wer
ist das Großmaul?“, fragte Tim leise.
„Du meinst
Claus Lukaschky?“
Der hatte
ein Gesicht wie ein von Wind und Wetter gegerbter Cowboy — mit Raubvogelnase
und eckigem Kinn. Was seine grüngraue Kluft betraf, war Tim unschlüssig, ob es
sich um Schützenuniform oder um einen gemilderten Trachtenanzug handelte.
Jedenfalls war es kein Smoking, und die weinrote Weste besaß mindestens zwölf
Silberknöpfe.
Thilo
wusste auch, wie die beiden anderen hießen.
Kolja
Lohmann hatte sich mit einem stacheligen Schnauzbart ausgerüstet, für den sein
Gesicht viel zu klein war.
Ignaz von
Ruch hatte Froschaugen und Goldkronen. Ihm gehörte ein bekanntes Geschäft für
Jagdzubehör und Waffen, auch Sportwaffen, sogar Turnierbogen und Armbrüste.
Ruch war Mitglied in jedem Verein, in dem geschossen wurde. So was belebt das
Geschäft.
„Habe ich
mich eigentlich verändert?“, fragte Thilo die TKKG-Freunde. „Keiner von denen
erkennt mich. Keiner nickt mir zu.“
„Das macht
dein Bart“, stellte Karl fest. „Siehst jetzt aus wie ein Kunststudent.“
„Das war
haarscharf meine Absicht“, lächelte Thilo, „als ich anfing, Rasierklingen zu
sparen.“
Zum
Nachtisch gab es Vanilleeis mit heißen Himbeeren.
Klößchen
verdrehte die Augen vor Glück.
Draußen
rollte Wagen auf Wagen heran. Der Parkplatz war bald gepackt voll wie vor einem
Messegelände.
Ebenso
füllte sich der Saal, aber mit garantiert mehr als 54 Leuten. Offenbar brachten
etliche auch Freunde oder den Lebenspartner mit.
So entstand
dann auch der hässliche Missklang.
Eben waren
vier, fünf Leute hereingekommen. Sie hatten hierhin und dorthin gegrüßt und
blickten jetzt suchend umher, wo noch ein Tisch frei sei. Im Hintergrund ja,
aber vorn sah es schlecht aus.
Das
veranlasste Lukaschky, den großmäuligen Cowboytyp, zu einer scharfen Drehung
auf seinem Stuhl.
„Heh, ihr
junges Gemüse“, sagte er laut zu den TKKG-Freunden, „leckt eure Teller ab und
macht dann ‘ne Fliege. Der Tisch wird gebraucht.“
Langsam
wandte Tim den Kopf. Er sah in kalte, eisgraue Augen.
Klößchen
grunzte empört. War er doch noch nicht fertig mit seinem Nachtisch. Karl
stemmte die Hände auf den Tisch.
„Ich
glaube, Sie haben sich im Ton vergriffen“, sagte Thilo in diesem Moment.
„Allenfalls können Sie uns bitten, den Tisch zu räumen. Aber erst essen wir zu
Ende, Herr Lukaschky.“
„Aha! Erst
esst ihr zu Ende“, erwiderte der hämisch. „Wer bist du denn?“
„Ich bin
Thilo Schenk. Für Sie bin ich Herr Schenk.“
„So, der
bist du. Wie haste dir verändert! Hinter deiner Seegrasmatratze erkennt man
dich nicht. Bist wohl jetzt in Florenz, Herr Schenk? Bleib das nächste Mal
dort. Mit deinem Alten kommen wir besser klar.“
„Kommen sie
erst mal mit sich selber klar.“ Tim lächelte ihn an. „Habe ich von Ihnen
vielleicht schon gehört? Sind Sie der berühmte Schandmaul-Lukaschky? Oder
verwechsele ich Sie mit einem Politiker? Das soll, wohlgemerkt, keine Kränkung
sein. Auch Politiker müssen ja ab und zu mal den Mund aufmachen.“
Manuela
Mais Mundwinkel zuckten. Aber es wurde kein Lächeln. Ruch und Lohmann
erstarrten.
Lukaschky
rückte seinen Stuhl zurück und wollte sich erheben — offenbar, um Tim eine
reinzuhauen.
„Tun Sie’s
nicht!“, sagte Karl. „Sie verpassen sonst das Abendessen. Und im Krankenhaus
kriegen Sie um diese Zeit nichts mehr.“
Tatsächlich!
Lukaschky blieb hocken. Aber nicht, weil er vor Angst schlotterte, sondern weil
in dieser Sekunde die Kellnerin mit ihrem Tablett heranstürmte und Bier- und
Schnapsgläser ablud.
Das war ihm
wichtiger als Zoff (Streit) mit der respektlosen Jugend.
Andere
hatten nichts mitbekommen. Schenk senior war in der Küche. Die Platzsuchenden
hatten inzwischen einen freien Tisch gefunden. Gläser klirrten. Stimmen
schwirrten. Der Alleinunterhalter, ein ältlicher Musiker, setzte sich ans
Klavier und begann mit gedämpfter Tischmusik.
Thilo und
die TKKG-Freunde kratzten schweigend das Eis vom Teller. Dann verließen sie den
Saal.
Draußen
senkte sich Dämmerung auf Wald, Feld
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