Wilde Chrysantheme
es nicht ausgehändigt, bevor Sie mir nicht eine Quittung dafür ausgestellt haben.«
Mr. Cogg warf ihr einen Blick zu, aus dem deutlich Abscheu sprach. »Für so ein junges Ding kennen Sie sich mächtig gut aus«, knurrte er, als er sich wieder zur Treppe umwandte. »Ihr Vater war wohl auch einer von diesen schäbigen Wucherern, was?«
Es war als gehörige Beleidigung gemeint, doch Juliana lachte lediglich und dachte, daß Sir Brian Forsett, wenn er sich mit finanziellen Angelegenheiten beschäftigte, durchaus das Gehabe eines Geldverleihers an den Tag legte.
Sie schrieb die Quittung selbst aus und blickte argwöhnisch über Mr. Coggs Schulter, als dieser drei Kreuze statt einer Unterschrift daruntersetzte. Dann legte sie die vierzig Pfund auf den wackligen Tisch in seinem Wachhäuschen. »Ich habe nur noch eine Zwanzigpfundnote. Hat eine von euch zufällig eine Guinee, um sie diesem freundlichen Gentleman zu spendieren?«
Rosamund zog die geforderte Münze aus ihrem Täschchen, und dann verließen sie das Hofmarschallgefängnis, während Lucy auf ihren nackten Füßen zwischen Juliana und Lilly hinaushumpelte. Der Lakai und die Mietdroschke warteten noch an der Stelle, wo sie sie zurückgelassen hatten; von Lucien fehlte allerdings jede Spur.
»Holen Sie bitte Viscount Edgecombe aus der Taverne«, wies Juliana den Lakaien an, der mit unverhüllter Neugier auf die erbärmliche Vogelscheuche starrte, die von den Mädchen in die Kutsche gehoben wurde.
Lucy sank mit einem Stöhnen auf die zerschlissenen Lederpolster. »Bist du hungrig, Liebes?« fragte Emma liebevoll, als sie sich neben Lucy setzte und ihre mageren Hände in ihre nahm.
»Ich spüre keinen Hunger mehr«, flüsterte ihre Freundin matt. »In der ersten Woche war es schmerzhaft, aber jetzt ist es vergangen.«
»Was machen wir nur mit ihr?« Lilly saß den beiden gegenüber; ihre gezupften Augenbrauen waren zu einem ratlosen Stirnrunzeln zusammengezogen. »Wir können sie unmöglich zurück zu Mutter Haddock bringen.«
»Wie wär's mit Mistress Dennison?« Juliana blickte aus dem Fenster und hielt nach ihrem Ehemann Ausschau.
»Nein«, winkte Rosamund ab. »Sie hat schon gesagt, daß sie für Lucy keinen Finger krumm macht.«
»Lucy hat einmal einen reichen Beschützer zurückgewiesen, den Mistress Dennison ihr anhängen wollte«, erklärte Emma.
»Er war ein widerwärtiger Perverser«, fügte Lucy mit wesentlich mehr Kraft hinzu, als man ihr zutraute. »Und zu dem Zeitpunkt brauchte ich zum Glück weder ihn noch sein Geld.«
»Damals war sie die Mätresse von Lord Amhurst«, unterrichtete Lilly Juliana. »Mistress Dennison hatte dafür gesorgt, daß der Vertrag zustande kam, und sie dachte, Lucy schulde ihr einen Gefallen. Soweit ich weiß, war es nur für eine Nacht.«
»Eine Nacht mit diesem ekelhaften Dreckskerl!« Lucy fiel erschöpft in die Polster zurück und schloß die Augen.
«Jedenfalls ist das der Grund, warum Mistress Dennison ihr nicht helfen will«, faßte Rosamund zusammen.
»Sie kann bei mir unterkommen«, erklärte Juliana mit sehr viel mehr Zuversicht, als sie in Wirklichkeit hegte. Nach dem augenblicklichen Stand der Dinge würde der Herzog ohnehin nicht sonderlich gut auf sie zu sprechen sein. Und selbst die mildtätigste und menschenfreundlichste Seele würde es ihm nicht verübeln, wenn er sich weigerte, der bedürftigen Lucy in ihrem gegenwärtigen Zustand Unterschlupf zu gewähren.
»Na schön, das wäre erst mal geregelt.« Lilly klang erleichtert, als sie Julianas Vorschlag besiegelte. »Und während du wieder zu Kräften kommst, Lucy, werden wir versuchen, Mistress Dennison zu überreden, dich aufzunehmen, wenn du wieder arbeiten kannst.«
»Sie hat ein weiches Herz, wirklich«, warf Emma ein. »Tatsächlich sind sie beide ausgesprochen nett, wenn man sich gut mit ihnen stellt.«
Eine lebhafte Diskussion darüber begann, ob es wahrscheinlich war, daß die Dennisons nachgäben; doch Juliana spähte unverwandt weiter aus dem Fenster zu der Taverne hinüber. Schließlich erschien der Lakai auf der Bildfläche und trottete herbei. Er war allein.
»Entschuldigung, M'lady, aber Seine Lordschaft sagt, er wäre noch nicht bereit zu gehen, und Sie sollten bitte ohne ihn nach Hause fahren.«
»Verdammt«, murmelte Juliana. Der Viscount war wirklich kein zuverlässiger Komplize. Ohne seine Unterstützung würde es wesentlich schwieriger für sie werden, in die Albermarie Street zurückzukehren, und sie würde Tarquins
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