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Wilde Chrysantheme

Wilde Chrysantheme

Titel: Wilde Chrysantheme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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verhungert«, sagte sie, und ihre Stimme klang jetzt mutiger, als sie an Lucys Elend dachte. »Man hat sie durch Nahrungsentzug gefoltert und in eine schmutzige Dachkammer gesteckt, damit sie dort elendiglich stirbt. Sie braucht dringend Pflege, und ich habe sie hierher mitgenommen.«
    »Wirklich, Tarquin, das Mädchen befindet sich in einem erschreckenden Zustand.« Quentin richtete sich auf, sein Ausdruck fassungslos. »Wir sollten nach dem Arzt schicken, sobald sie zu Bett gebracht ist.«
    Der Herzog blickte zu Lucy hinüber, und seine strenge Miene wurde einen Moment lang weich, doch als er sich erneut Juliana zuwandte, kehrte die eisige Kälte in seine Augen zurück. »Du kannst sie vorläufig hinaufbringen und in Hennys Obhut geben. Sie wird wissen, was zu geschehen hat. Aber danach möchte ich dich in meinem Arbeitszimmer sprechen!«
    Juliana wich einen Schritt zurück und versank in einen tiefen Knicks. »Danke, Mylord. Ich stehe ganz zu Ihrer Verfügung.« Sie senkte die Augen in vorgetäuschter Unterwürfigkeit, und dabei entging ihr das flüchtige Aufblitzen widerwilliger Belustigung in seinen Augen. Als sie wieder aufblickte, war der Funke erloschen. Er nickte ihr kurz zu und strebte dann in seine Gemächer.
    »Kommen Sie, Juliana, ich helfe Ihnen, das arme Mädchen die Treppe hinaufzubringen. Sie ist kaum noch bei Bewußtsein.« Quentin hob Lucy auf seine Arme, scheinbar ohne sich ihres vor Schmutz starren Hemdes und ihrer fettigen, verfilzten Haare bewußt zu sein, die gegen sein makelloses weißes Hemd und grauseidenen Überzieher gepreßt wurden. Er trug sie zur Treppe, während Juliana ihm folgte.
    »Ich bringe sie in das gelbe Schlafzimmer«, sagte Quentin mehr zu sich selbst, als er am Treppenabsatz rechts abbog. »Und dann läuten wir nach Henny.«
    Er legte Lucy auf das Bett und zog mit all der Behutsamkeit einer gelernten Krankenschwester die Decke über sie. Juliana betätigte die Klingelschnur und setzte sich auf Lucys Bettkante. »Wie können sie es
wagen?«
sagte sie mit gedämpfter, zornbebender Stimme. »Sehen Sie sich das Mädchen einmal an! Und das Gefängnis war voller Skelette… kleine Kinder, Säuglinge … oh, es ist eine Schande!«
    »Ich wünschte, es wäre möglich, etwas an diesen schlimmen Zuständen zu ändern«, sagte Quentin unbehaglich.
    »Aber
Sie
könnten es!« Juliana sprang auf, und ihre Augen blitzten vor Enthusiasmus. »Sie und Ihresgleichen. Sie sind mächtig und reich. Solche Männer wie Sie erreichen mit ihrem Einfluß Veränderungen. Sie
wissen
, daß Sie es könnten!«
    Quentin wurde einer Antwort enthoben, da in diesem Moment Henny den Raum betrat und mit energischer Tüchtigkeit das Kommando übernahm, ohne erkennbare Überraschung angesichts des Zustands ihrer Patientin zu zeigen.
    »Kommen Sie, überlassen wir das Weitere lieber Henny.« Quentin zog Juliana zur Tür. »Sie müssen dringend Tarquin aufsuchen.«
    Juliana schnitt eine Grimasse. »Er scheint ziemlich verärgert.«
    »Das kann man wohl sagen.« Ein Lächeln spielte um seine Lippen. »Aber wenn Sie Ihre Karten klug ausspielen, wird er nicht lange böse auf Sie sein. Ob Sie's glauben oder nicht, er ist wirklich ein sehr gerechter Mann. Er war unbekümmert und umgänglich als Junge… außer, wenn er bewußt provoziert oder an der Nase herumgeführt wurde.« Quentin strahlte förmlich, da ihm gewisse Vorfälle aus ihrer gemeinsamen Kindheit und Jugend einfielen. »Zu jenen Zeiten haben wir alle gelernt, ihm nicht in die Quere zu kommen.«
    »Ich schaffe es offenbar nicht, ihm aus dem Weg zu gehen«, sagte sie mit einem hilflosen Achselzucken. »Wenn ich dazu fähig wäre, dann würde ich mich jetzt nicht hier aufhalten.«
    Tarquin gab sich Mühe, wieder ein bestimmtes Maß an Kontrolle über die Ereignisse zu gewinnen. Er konnte nicht verstehen, wie ein so junges Ding wie Juliana sein bisher glattes und ungestörtes Leben so gründlich auf den Kopf stellen konnte. Aber seit jenem Moment, als er sie durch das Guckloch beobachtet hatte, nackt im Kerzenschein, übte sie eine gewisse Macht über ihn aus… eine Macht, die sich noch durch die gemeinsamen Stunden der Leidenschaft verstärkt hatte. Sie rührte etwas in seinem Inneren an. Er wußte nicht mehr, was er zu gewärtigen hatte – von ihr, von sich selbst. Es war kein angenehmes Gefühl; tatsächlich empfand er es geradezu als beängstigend.
    Als Juliana an die Tür klopfte, warf er sich hastig auf den Stuhl hinter dem massiven

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