Wilde Chrysantheme
gehabt, sich an ihr zu rächen, indem sie eine Gruppe junger Höflinge dazu anstifteten, ihren Schankraum in Trümmer zu legen.
Böse, gefallene Frauenzimmer seien sie, ohne jede Moral, die auf gottlosen, lasterhaften Pfaden wandelten, fügte Mutter Cocksedge hinzu, um sich danach erneut unter ihrer Schürze zu verkriechen. »Aber ich und Mistress Mitchell hier, Hohes Gericht, wir denken nicht, daß sie alle so hart bestraft werden sollten wie die drei, die sie zu dem Bösen verleitet haben. Die drei aus der Russell Street!«
Mistress Mitchell stimmte mit einem würdevollen Kopfnicken zu.
Sir John Fielding musterte die beiden Klägerinnen mit einem Ausdruck des Abscheus. Er war sich ebensosehr wie jeder andere der wahren Natur ihres Gewerbes bewußt. Aber sie standen in diesem Fall nicht als Beschuldigte vor ihm, und ihre Beschwerden waren durchaus gerechtfertigt. Sein Blick schweifte langsam über den Halbkreis der Angeklagten, bis er schließlich an den drei Hauptübeltäterinnen haftenblieb.
Lilly und Rosamund schlugen sofort beschämt die Augen nieder, aber der Rotschopf mit der dreisten Miene begegnete seinem anklagenden Blick offen und unverfroren, während ihm ihre grünen Augen ihre Herausforderung entgegenschleuderten.
»Name?« verlangte er zu wissen.
»Juliana Beresford.« Sie sprach klar und deutlich, ohne jedoch eine höfliche Anrede zu benutzen oder die geringste Ergebenheit anzudeuten.
Lilly und Rosamund dagegen versanken beide in einen tiefen Knicks und murmelten ihre Namen, als sie gefragt wurden, mit einem angefügten »Verehrtes Hohes Gericht«.
»Haben Sie irgend etwas zu diesen Vorwürfen zu sagen?« Sir John wies auf Juliana.
»Nur daß es unverschämte Lügen sind«, erwiderte sie ruhig.
»Sie waren nicht in der Schokoladenstube dieser Frau versammelt?« Die Augenbrauen des Richters zogen sich in buschigen weißen Bögen hoch.
»Doch, das waren wir, aber…«
»Sie haben sich nicht hinter verschlossener Tür versammelt?« unterbrach er sie.
»Doch, aber…«
Erneut unterbrach er sie, indem er seine Faust krachend auf den Tisch niedersausen ließ. »Das ist alles, was ich wissen möchte. Es ist gesetzlich verboten, sich zum Zwecke der Anstiftung von Krawall und Gewalttätigkeit zu versammeln. Ich verurteile Sie und Ihre beiden Mittäterinnen zu einer dreimonatigen Haftstrafe in der Besserungsanstalt Tothill Bridewell. Jene, die Sie korrumpiert haben, werden gegen die Bezahlung einer Strafe von fünf Shilling auf freien Fuß gesetzt.«
Damit schob er seinen Stuhl zurück und erhob sich, wobei er ausgiebig gähnte. »Ich habe schon gestern abend Überstunden machen müssen, und dann auch noch mitten in der Nacht aus dem Bett geholt zu werden, um sich mit einem Trio hitzköpfiger, unruhestiftender Huren zu befassen, ist wirklich mehr, als ein Mann verkraften kann«, bemerkte er laut zu einem streng gekleideten Mann, der während der gesamten Verhandlung hinter ihm gestanden hatte und ihn jetzt aus dem Raum begleitete.
»Nach drei Monaten in der Besserungsanstalt werdet ihr endlich ein bißchen mehr Respekt gegenüber denen erweisen, die über euch stehen«, erklärte Mutter Cocksedge mit einem höhnischen Ausdruck in ihren kleinen rosa Augen, als sie auf die drei jungen Frauen zutrat. »Mistress Dennison und ihr Mann werden euch danach wohl kaum wieder aufnehmen. Wir mögen keine Unruhestifterinnen in Covent Garden, daß du's weißt, Mädchen!« Sie stieß Juliana hart mit einem Finger gegen die Brust. Juliana hätte sich dafür revanchiert, wenn sie nicht von einem der Konstabier festgehalten worden wäre. Der Drang, der Frau ins Gesicht zu spucken, war fast überwältigend, doch irgendwie gelang es ihr, das Bedürfnis zu unterdrücken und den Blick von dem haßerfüllten, triumphierenden Grinsen abzuwenden.
»Rosamund wird die Besserungsanstalt nicht überleben«, flüsterte Lilly Juliana zu. »Ich kann es und du auch. Aber Rosamund ist empfindlich. Sie wird nicht länger als eine Woche durchhalten.«
»Das wird sie auch nicht müssen«, erklärte Juliana mit einer Zuversicht, die sie nicht fühlte. Jetzt fesselten sie ihr die Hände mit einem rauhen Seil, und jede Schlinge und jeder Knoten kettete sie fester an ihre Machtlosigkeit.
Lilly warf ihr einen zornigen Blick zu, als wollte sie sagen: »Mach dir doch nichts vor!«, und ertrug die Prozedur des Fesselns mit zusammengepreßten Lippen. Rosamund schluchzte ununterbrochen vor sich hin, während ihr die Hände vor den Körper
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