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Wilde Chrysantheme

Wilde Chrysantheme

Titel: Wilde Chrysantheme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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Halle. Er war nur spärlich möbliert mit einem massiven Tisch und einem hochlehnigen Stuhl dahinter, der eher den Eindruck eines Throns machte. Die Frauen wurden vorwärts geschubst, bis sie einen Halbkreis um den Tisch herum bildeten, während ein maulender Lakai die Kerzen und Öllampen anzündete, die die kahlen vier Wände in ein mattes, düster wirkendes Licht tauchten.
    Dann breitete sich Stille aus, so tief und undurchdringlich wie in einer Grabkammer – nicht einmal das Rascheln eines Rockes, das Scharren eines Fußes auf dem nackten Fußboden war zu hören. Es schien, als hätten die Frauen Angst, zu sprechen oder sich zu bewegen, Angst, daß es ihre Situation noch verschlimmern könnte. Die Büttel standen schweigend da, in Ehrfurcht vor der Umgebung. Nur Juliana sah sich um und nahm die Einzelheiten in sich auf, die kunstvoll verzierten Deckenfriese, die geschnitzte Holzvertäfelung, den blankpolierten Eichenfußboden. Sie war genauso verängstigt und zu Tode erschrocken wie der Rest der Frauen, doch ihr Gesichtsausdruck ließ nichts davon erkennen, als sie sich das Hirn hinsichtlich eines Auswegs aus diesem Mißgeschick zermarterte.
    Nach einer Viertelstunde, die den Frauen wie eine Ewigkeit vorkam, öffnete sich die Doppeltür, und eine Stimme verkündete feierlich: »Bitte erheben Sie sich von Ihren Plätzen für den Vorsitzenden Richter, Sir John Fielding.«
    Als ob wir irgendeine Wahl hätten, dachte Juliana in einem tapferen Versuch, Humor aufzubringen angesichts des Schauderns, das ihre Gefährtinnen überlief.
    Sir John Fielding, in einem losen Brokathausmantel über Kniehosen und einem Hemd, seine hastig aufgesetzte Perücke leicht schief auf dem Kopf, nahm hinter dem Tisch Platz. Er musterte die Frauen mit tadelndem Blick.
    »Was wird ihnen zur Last gelegt?«
    »Ungehöriges Benehmen in der Öffentlichkeit, Sir John«, erkärte der Oberbüttel schwerfällig. »Anstiftung zum Krawall… Ausschweifung… Sachbeschädigung.«
    »Wer hat Anzeige erstattet?«
    »Mutter Cocksedge und Mistress Mitchell, Hohes Gericht.«
    »Sind sie hier?«
    »Sie warten auf ihre Vorladung, Sir.« Der Büttel klopfte mit seinem Amtsstab auf den Boden und rümpfte mit einer Miene großer Aufgeblasenheit die Nase.
    »Dann rufen Sie sie herein!«
    Juliana drehte den Kopf zur Tür. Die beiden Frauen eilten geschäftig vor. Mistress Mitchell sah wie eine ehrbare Hausfrau in ihrem sauberen Kleid und einer gestärkten Haube aus; Mutter Cocksedge hatte sich ihre Schürze über den Kopf geworfen und schien über irgend etwas zutiefst erschüttert zu sein; ihre Schultern bebten, und laute, verzweifelte Schluchzer drangen unter ihrer Bedeckung hervor.
    »Hör'n Sie auf mit der Heulerei, Frau, und tragen Sie dem Hohen Gericht Ihre Beschwerde vor«, befahl einer der Konstabler.
    »Oh, ich bin ruiniert! Völlig ruiniert, Euer Ehren«, ertönte es jämmerlich aus dem Überwurf. »Und das alles dank dieser bösen Mädchen… sie haben die jungen Gentlemen angestiftet, mein Haus zu verwüsten und den Schankraum zu zertrümmern. Haben sich förmlich an die jungen Herren rangeschmissen, sie ganz heiß gemacht und wollten dann nichts bieten. Und die drei hier…« Mutter Cocksedge riß sich in einer dramatischen Geste die Schürze vom Kopf und zeigte anklagend auf Juliana, Lilly und Rosamund. »Die drei hier, die's eigentlich besser wissen sollten, wo es ihnen doch so gutgeht und so weiter, haben die anderen aufgehetzt, die armen Dinger, die nicht halb so viele Vorteile haben, um mein Etablissement für ihre unmoralischen Zwecke zu mißbrauchen!«
    Juliana schnappte empört nach Luft. »Das ist ja wohl die Höhe, Sie alte…«
    »Ruhe!« donnerte der Richter. »Machen Sie noch einmal den Mund auf, Frau, und Sie finden sich hinter dem Karren wieder, um von der St.-PauPs-Kirche zur Drury Lane und wieder zurück geschleift zu werden.«
    Juliana schloß den Mund und kochte innerlich vor Zorn, als sie gezwungen war, schweigend zuzuhören, wie die beiden Frauen ihre Lügengeschichte spannen. Mistress Mitchell mimte die zutiefst Gekränkte, deren Gutmütigkeit schamlos ausgenutzt worden war, als sie berichtete, daß sie einigen Mädchen erlaubt hätte, ihr bestes Wohnzimmer für eine Geburtstagsfeier zu benutzen; doch statt dessen hätten die undankbaren Geschöpfe Vorbereitungen getroffen, einen Aufruhr in Mutter Cocksedges ach so respektabler Schokoladenstube zu inszenieren. Sie hegten einen Groll gegen Mutter Cocksedge und hätten die Absicht

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