Wilde Chrysantheme
dir aussuchen.«
»Na schön, dann Sie«, erwiderte sie lustlos, da sie keine andere Möglichkeit sah. Rosamund musste jetzt Hennys pflegerischem Geschick anvertraut werden.
»Gut.« Er nickte knapp und wandte sich dann wieder an Catlett. »Lassen Sie sofort eine Badewanne, heißes Wasser, Salbe, Verbandszeug und Laugenseife in Lady Edgecombes Räume schaffen… Quentin, du kümmerst dich darum, daß die beiden anderen untergebracht werden?«
»Natürlich.«
»Komm, Juliana.« Der Herzog umschloß ihr Handgelenk mit festem Griff und setzte einen Fuß auf die Treppe. Juliana folgte ihm notgedrungen hinauf.
Ihr Schlafgemach war von Sonnenschein überflutet; die Rosen in den Schalen wurden täglich durch frische ergänzt, und in der Luft lag ihr süßer Duft. Der Anblick ihres Bettes mit den sauberen, lavendelparfümierten Laken, die weiche Einladung des Federbettes und der dicken Daunenkissen zogen sie unwiderstehlich an, während die alptraumhaften Bilder des Gefängnisses allmählich in den Hintergrund wichen, verdrängt durch die vertraute Behaglichkeit ihres Heims.
Daheim.
War dies ihr Zuhause? Ja, sie fühlte sich hier heimisch. Ihre eigenen Räume. Die Stimme des Herzogs durchbrach ihre Gedankenversunkenheit.
»Das Bett wird noch warten müssen, Juliana. Man kann nie wissen, was du dir in dem dreckstarrenden Loch eingefangen hast. Ungeziefer, Infektionen…«
»Ungeziefer?« Sie hob hastig die Hand an ihr wirres Haar, und ihre Augen weiteten sich vor Abscheu. Deshalb also hatte er Laugenseife angeordnet.
»Steh sill. Ich möchte deine Kleider so wenig wie möglich berühren, deshalb werde ich sie dir vom Leib schneiden.« Tarquin ging zum Frisiertisch, um die Schere zu holen, die Henny dort aufbewahrte, um kleine Ausbesserungsärbeiten oder Änderungen an Julianas Garderobe vorzunehmen.
Juliana stand stocksteif da. Ihr schauderte vor Ekel bei der Erinnerung, wie die Frau Maggie ihr Kleid angefaßt und Rosamund das Tuch vom Hals gerissen hatte, wie ihre klauenartigen, schmutzverkrusteten, blutenden Hände sie berührten, während sie gierig den Stoff befingerten. Unwillkürlich stieg in ihrer Kehle eine Woge von Übelkeit auf. Mit einem unartikulierten Wimmern stieß sie Tarquin beiseite, als er sich mit der Schere näherte, und stürzte zu dem Nachtstuhl.
Tarquin legte die Schere weg und ging zu ihr. Seine Hand war warm auf ihrem Nacken, beruhigend, als er ihr den Rücken rieb. Vage wurde ihm bewußt, daß er, wenn ihm jemand wenige Wochen zuvor gesagt hätte, er würde keine Sekunde zögern, einer sich übergebenden Frau beizustehen, nur wegwerfend gelacht hätte. Aber das war, bevor Juliana in sein Leben getreten war.
»Ich bitte um Entschuldigung«, keuchte sie, als die Krämpfe nachließen. »Es ist mir unbegreiflich, was über mich gekommen ist.« Sie beneidete Rosamund um Hennys ruhige, tüchtige Gegenwart. Sich vor einem Mann zu übergeben – ganz besonders vor dem eigenen Liebhaber – war entsetzlich peinlich, und sie krümmte sich innerlich bei der Vorstellung, was er wohl von ihr denken mochte. Aber seine Hand auf ihrem Rücken gerade eben hatte ihr unsäglich wohl getan.
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, sagte der Herzog sanft, während er einen Waschlappen mit Wasser aus der Schüssel anfeuchtete. Sorgfältig wischte er ihr über Mund und Stirn, und als sie forschend in sein Gesicht blickte, konnte sie keine Spur seines vorigen Tobens entdecken. Seine Augen hatten einen nachdenklich-verwirrten Ausdruck, aber sein Mund war entspannt. Er warf den Waschlappen auf den Frisiertisch, griff nach der Schere und schnitt rasch die Bänder am Oberteil ihres Kleides durch.
Innerhalb von wenigen Minuten fiel eine Hülle nach der anderen, während sich seine Hände mit geschickter Tüchtigkeit bewegten, ihre Unterröcke und das Hemd zerschnitten sowie ihre Strumpfbänder durchtrennten. Sie rollte ihre Strümpfe selbst herunter und warf sie auf den Haufen ausrangierter Stoffstücke. Dann rieb sie die Knie aneinander, verlegen und unsicher, ohne so recht zu wissen, wo sie ihre Hände lassen sollte, und von dem absurden Bedürfnis erfüllt, ihre Blöße zu bedecken – als ob sie niemals die gewagtesten Intimitäten mit diesem Mann geteilt hätte; als ob er nicht jeden Zentimeter ihrer Haut, jede Öffnung ihres Körpers liebkost und erforscht hätte; als ob sein hartes, drängendes Fleisch nicht ihre Zerbrechlichkeit erobert und besessen hätte, und als ob sie, indem sie die letzten
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