Wilde Chrysantheme
vielleicht Sherry?«
»Ich trinke nur Champagner«, erklärte sie mit einem betont nachlässigen Achselzucken, während sie sich von der Tür fortbewegte. Sie strich mit einer Miene hochmütiger Abweisung ihren Rock glatt und stieß dabei mit den Fingerspitzen versehentlich gegen eine feine Porzellanfigur auf einem Beistelltischchen, die prompt umkippte und auf den Teppich fiel.
»Hölle und Pest!« fluchte sie, als sie sich auf die Knie fallen ließ und für einen Moment alles andere über ihrem schicksalhaften Pech vergaß. »Lieber Gott, mach, daß ich sie nicht zerbrochen habe… ah, nein, sie scheint heil geblieben zu sein… nirgendwo ein Sprung zu sehen!«
Sie hielt die Figur ans Licht, während ihre Finger prüfend über die glatte Oberfläche strichen. »Ich möchte schwören, daß es ein enorm teures Stück ist. Sonst hätte ich sie garantiert nicht umgeworfen.« Vorsichtig stellte sie die Figur wieder auf den Tisch zurück und verließ hastig die Gefahrenzone.
Der Herzog verfolgte das Manöver mit einigem Erstaunen. »Ist es Ihre Angewohnheit, kostbare Gegenstände zu zerstören?«
»Es ist meine elende Ungeschicklichkeit«, erklärte Juliana mit einem Seufzer und beobachtete die Porzellanfigur weiter argwöhnisch, um sich zu vergewissern, ob sie nicht auf die Idee käme, erneut vom Tisch zu stürzen.
Jeglicher Kommentar, den ihr Gesprächspartner möglicherweise hatte von sich geben wollen, wurde in diesem Augenblick von Mr. Garstons Erscheinen vereitelt.
»Champagner für die Dame, Garston«, befahl der Herzog kurz angebunden. »Und für mich einen roten Bordeaux. Den dreiundvierziger, falls Sie ihn haben.«
»Ich glaube schon, Euer Gnaden!« Garston wich unter Verbeugungen rückwärts zur Tür hinaus.
Juliana schwieg, verärgert darüber, daß ihre eigene Ungeschicklichkeit sie ausgerechnet in einem Moment abgelenkt hatte, als sie das Gefühl gehabt hatte, wieder ein gewisses Maß an Selbstbehauptung in dieser schrecklichen Situation zurückzugewinnen. Der Herzog dagegen schien vollkommen zufrieden mit den Gegebenheiten. Er schlenderte zu einem Bücherregal und widmete den goldgeprägten Buchrücken der Bände, die es enthielt, große Aufmerksamkeit, bis Garston mit den Getränken zurückkehrte.
»Überlassen Sie das mir, Garston.« Er winkte den Mann hinaus und drehte geschickt den Korken aus der Champagnerflasche. »Ich hoffe, dies hier wird bei Ihnen Anklang finden, Ma'am.« Er schenkte ein Glas voll und brachte es Juliana, die noch immer reglos neben dem Tisch stand.
Sie hatte bisher nur einmal in ihrem Leben Champagner getrunken, und zwar an ihrem Hochzeitstag. Gewöhnt war sie lediglich an leichtes Bier und mal ein Glas Rotwein. Dennoch griff sie mit der vorgetäuschten Arroganz von vorhin nach dem Glas, nippte daran und nickte dann beifällig.
Der Herzog schenkte ein Glas Rotwein für sich selbst ein und sagte freundlich: »Wenn Sie Platz nehmen würden, Ma'am, dann könnte ich mich ebenfalls setzen.«
Es war eine derart unerwartete Höflichkeit unter den gegebenen Umständen, daß Juliana sich unvermittelt, ohne nachzudenken, auf einem Sofa wiederfand. Der Herzog verbeugte sich leicht und nahm in einem Sessel gegenüber Platz.
Tarquin sog genießerisch das Bouquet des Weines ein und musterte die stille Gestalt über den Rand seines Glases hinweg. Sie erinnerte ihn an ein von Hunden gehetztes und in die Enge getriebenes Reh, das eine Art Mut der Verzweiflung, der gleichsam die grimmige Realität seiner Lage bestätigte, ausstrahlte. Ihre Augen begegneten seinem prüfenden Blick starr und furchtlos, ihr festes Kinn war leicht verschoben, die vollen, großzügigen Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepreßt. Juliana Beresford hatte etwas Kompromißloses an sich, von den Spitzen jener flammendroten Haarmähne bis hin zu den Zehen ihrer großen Füße. Das Bild ihres nackten Körpers stieg ungebeten in seinen Gedanken auf, und seine Augen wurden schmal, als sein träger Blick über sie hinwegglitt, während er sich an ihre straffe, wohlgerundete Nacktheit erinnerte und die glatte, elfenbeinweiße Haut, die in einem so verblüffenden Kontrast zu dem unerhört leuchtenden Haar stand.
»Wenn Sie weiterhin darauf bestehen, mir einen Vorschlag zu unterbreiten, Mylord, dann wünschte ich, Sie würden endlich zur Sache kommen«, erklärte Juliana plötzlich, um die Intensität eines Schweigens zu brechen, das eine höchst beunruhigende Wirkung auf sie ausübte. Ihre Haut prickelte am
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