Wilde Chrysantheme
Stilton anbieten.« Er schlug nach der Fliege und zerquetschte sie unter seiner Handfläche. »Ich werd' gleich mal den Burgunder heraufholen.«
Er schlurfte davon, und George ging hinüber zur offenen Tür. Es war heiß und drückend, und er wischte sich mit seinem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Er musste sich eine Unterkunft suchen und dann einen Drucker finden. Seufzend griff er in seine Rocktasche und zog ein Blatt Papier heraus. Er faltete es auseinander und las noch einmal mit kritischem Stirnrunzeln die Zeilen, die darauf geschrieben standen. Doch, das müsste eigentlich klappen. Er würde ungefähr zwanzig Exemplare davon drucken lassen; anschließend konnte er einen Straßenjungen für ein paar Pfennige anheuern, um die Suchmeldungen in der näheren Umgebung an Laternenpfählen aufzuhängen. Eine Belohnung von fünf Guineen sollte genügen, um jemandes Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen.
»So, bitte, Sir. Mein feinster Burgunder«, verkündete Joshua. Er zog den Korken aus der Flasche und schenkte zwei Gläser voll. »Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn ich Ihnen Gesellschaft leiste, was, Chef? Auf Ihr Wohl, Sir.« Er hob sein Glas und trank.
Die Dinge entwickelten sich äußerst befriedigend. Er hatte eine Guinee in der Tasche von diesem Gentleman, und von Mistress Dennison würde noch mindestens eine weitere kommen, wenn sie seine Nachricht erhielt. Tatsächlich konnte er wahrscheinlich sogar auf zwei Guineen aus dieser Richtung zählen. Er würde jede Wette darauf eingehen, daß sie sich für diesen Gentleman und seine Neugier auf ihre neueste Errungenschaft interessierte. Ganz zu schweigen von der Tatsache, daß das Mädchen nicht mit der Kutsche aus York gekommen war, wie sie behauptet hatte, sondern aus Winchester. Es war alles ziemlich aufregend. Und versprach ein lukratives Geschäft zu werden.
Joshua füllte ihre Gläser nach und ließ seinen Gast hochleben.
7. Kapitel
»Juliana, haben Sie Lust, uns auf einen Spaziergang zu begleiten?« Miss Deborah steckte ihren Kopf zu Julianas Tür herein. »Lucy und ich wollen zur Putzmacherin. Ich brauche unbedingt rosarotes Schleifenband. Kommen Sie doch mit!«
»Ich habe den Eindruck, daß es mir verboten ist, das Haus zu verlassen«, erwiderte Juliana. Es war gegen Mittag des Tages nach ihrer Präsentation im Salon, und sie hatte sich seit ihrem Abschied von dem Herzog von Redmayne nicht mehr aus ihrer Kammer gerührt. Das Haus war wie gewöhnlich den ganzen Vormittag über still gewesen, doch innerhalb der letzten Stunde war es zum Leben erwacht, und Juliana hatte in ihrem Raum gesessen und darauf gewartet, daß etwas geschah.
»Oh, aber Mistress Dennison hat mir ausdrücklich gesagt, ich soll Sie fragen«, meinte Deborah mit aufrichtiger Überraschung. »Sie sagte, ein bißchen frische Luft würde Ihnen guttun.«
»Ich verstehe.« Juliana erhob sich von ihrem Stuhl. Dies war wirklich eine unerwartete Wende der Ereignisse. Nach ihrem Verhalten am vergangenen Abend hatte sie damit gerechnet, eher mehr statt weniger ans Haus gefesselt zu sein. »Wie freundlich von ihr. Gut, dann lassen Sie uns gehen.«
Deborah blickte mit kaum verhülltem Entsetzen auf Julianas Kleid. Sie trug wieder das schlichte Musselinkleid einer Bediensteten. »Sollten Sie sich nicht vorher noch umziehen?«
Juliana zuckte die Achseln. »Das dürfte etwas schwierig sein, da ich nichts anderes besitze als das, was ich im Moment trage, und das grüne Abendkleid von gestern abend.«
Deborah war sichtlich verdutzt, aber bevor sie noch etwas sagen konnte, erschien Bella neben ihr in der offenen Tür. »Mistress hat mich mit diesem Kleid heraufgeschickt, Miss. Für Ihren Spaziergang. Ist es nicht hübsch?« Sie hielt ein bronzefarbenes Seidenkleid hoch. »Und hier ist auch noch ein Schal aus indischer Seide, der genau dazu paßt.«
»Oh, wie entzückend!« Deborah befühlte den Stoff des Kleides mit Kennermiene. »Die feinste Seide, Juliana.« Sie seufzte neidisch. »Seine Gnaden muß ein ganz hübsches Sümmchen dafür ausgegeben haben. Bridgeworth ist auch recht großzügig, das kann ich nicht bestreiten, aber ich muß ihn zu häufig daran erinnern. Und es ist unangenehm, ständig um neue Kleider bitten zu müssen, finden Sie nicht auch?« Sie blickte Juliana fragend an, die große Mühe hatte, eine Antwort zu formulieren, die Deborah nicht beleidigen würde, aber dennoch die Wahrheit ausdrückte.
»Ich bin noch nicht in einer solchen Lage gewesen«, erwiderte sie
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