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Wilde Chrysantheme

Wilde Chrysantheme

Titel: Wilde Chrysantheme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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ausweichend, als sie Bella das prachtvolle Modell abnahm. Die Seide floß wie Wasser durch ihre Hände. Ihr Blick schweifte zum offenen Fenster hinüber. Die Sonne ergoß sich strahlend hell in den Raum. Wie lange war es her, seit sie das letzte Mal draußen gewesen war? Tage und Tage. Sie war in London und hatte noch nichts von der Stadt gesehen, abgesehen von dem Hof der »Glocke« in Cheapside und der engen Straße unterhalb ihres Fensters. Wenn sie das Kleid des Herzogs annehmen musste, um ihrem Gefängnis zu entkommen, dann sollte es eben so sein.
    »Helfen Sie mir beim Ankleiden, Bella.«
    Deborah hockte sich auf das Fußende des Bettes, während Bella Juliana eifrig den Unterrock und den Reifrock bereithielt, die sie am vergangenen Abend getragen hatte, bevor sie ihr das bronzefarbene Gebilde über den Kopf zog. »Wie soll ich Ihr Haar frisieren, Miss?«
    »Es ist heute nicht mehr so störrisch«, sagte Juliana, unfähig, die freudige Erregung zu verbergen, die sie bei dem Gedanken erfaßte, draußen im Sonnenschein spazierenzugehen. »Wenn Sie es hochstecken und mit genügend Nadeln sichern, sollte es eigentlich halten.«
    Bella tat, wie ihr geheißen, dann drapierte sie den fransenbesetzten Schal aus elfenbeinweißer Seide um die jungen Schultern. Sie trat zurück und nickte beifällig. Juliana betrachtete sich prüfend im Spiegel. Der Bronzeton des Kleides unterstrich ihren blassen Teint und die feurige Farbe ihres Haares auf raffinierte Weise. Wieder schoß ihr der Gedanke durch den Kopf, daß jemand genau wußte, was ihr schmeicheln würde. Traf der Herzog von Redmayne die Entscheidungen bezüglich ihrer Kleider? Oder stellte er nur das Geld zur Verfügung und überließ Mistress Dennison die Wahl?
    Panik krampfte plötzlich ihren Magen zusammen, als ein Gefühl der Hilflosigkeit sie überwältigte. Jeden Tag schloß sich die Falle enger um sie. Jeden Tag verlor sie ein wenig mehr von ihrem Zutrauen in ihre eigene Fähigkeit, über ihr Schicksal zu bestimmen. Ihre Resignation wuchs jeden Tag unmerklich.
    Eine Amsel, die draußen vor dem offenen Fenster zwitscherte, und die Wärme der Sonne in ihrem Nacken halfen ihr, die schwarze Woge der Verzweiflung zurückzudrängen. Sie würde endlich diesen vier Wänden entfliehen, um an einem herrlichen Sommertag durch London zu spazieren, und nichts sollte ihr die Freude an diesem Unternehmen verderben.
    »Kommen Sie, Deborah, lassen Sie uns gehen.« Juliana eilte zur Tür, froh, daß diesmal keiner Einwände gegen das bequeme Schuhwerk erhob, das sie anbehalten hatte.
    Lucy wartete auf sie in der Halle. »Das ist aber ein hübsches Kleid«, sagte sie mit einem Anflug von Neid, als Juliana übermütig die Treppe herunterhopste. »Diese Fältchen im Rücken sind der letzte Schrei.«
    »Ja, und sieh nur, wie raffiniert die Schleppe fällt«, meinte Deborah. »Das nenne ich echten Schick. Ich muß Minny bitten, mir aus dem purpurroten Taft von meinem Lord ein Kleid in genau dem gleichen Stil zu nähen.«
    Juliana hatte es zu eilig, zur Haustür zu kommen, um der Unterhaltung irgendwelche Beachtung zu schenken. Mr. Garston öffnete ihr die Tür mit einer Verbeugung und einem wohlwollenden Lächeln. »Genießen Sie Ihren Spaziergang, Miss.«
    »Keine Sorge, das werde ich«, erwiderte sie, als sie an ihm vorbeitrat, ihr Gesicht zur Sonne emporhob und glückselig die Augen schloß.
    »Ah, Miss Juliana! Da komme ich ja gerade richtig.«
    Sie riß erschrocken die Augen auf, als die weltmännische Stimme des Herzogs von Redmayne an ihr Ohr drang. Er stand am Fuß der Vordertreppe, eine behandschuhte Hand auf dem schmiedeeisernen Geländer. In seinen Augen schimmerte ein eigenartiger Glanz, während er zu ihr hochschaute.
    »Richtig wofür?« Sie wartete darauf, daß ihre Freude über diesen wundervollen Sommertag sie verließe, was keineswegs geschah. Statt dessen breitete sich ein seltsam prickelndes Gefühl der Erregung in ihrer Magengrube aus; ihr Gesicht begann zu glühen, und ihre Lippen brannten, als erwarteten sie die Berührung seines Mundes.
    »Ich bin gekommen, um Sie zu einer Spazierfahrt einzuladen«, erklärte er, »und darf nun feststellen, daß Sie bereits fix und fertig angekleidet auf mich warten.«
    »Sie irren sich, Sir. Ich bin mit diesen Damen hier verabredet.« Sie wies auf Deborah und Lucy, die beide ehrfürchtig vor dem Herzog in die Knie gingen, eine Begrüßung, die Juliana unterlassen hatte.
    »Sie werden Ihnen bestimmt nicht böse sein, wenn Sie

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