Wilde Chrysantheme
»Bilde dir nur nicht ein, daß du mich hereinlegen kannst, Redmayne. Du würdest dich keinen Deut darum scheren, wenn sie mich aufhängen, aber der Fleck auf der weißen Weste der Familie stört dich!« Er lächelte und sah ausgesprochen zufrieden aus, als hätte er gerade eine komplexe intellektuelle Übung bewältigt.
»Also?« Tarquin zog eine Braue hoch.
»Also… warum sollte ich von dir Befehle entgegennehmen, Cousin?«
»Weil es nicht zu deinem Schaden wäre…«
Ein gerissener Glanz erschien in Luciens hellbraunen Augen. »Ach, tatsächlich? Ich bitte dich inständig, sprich doch weiter, mein lieber Freund.«
»Ich werde dir deine Gläubiger vom Hals schaffen«, erklärte der Herzog. »Und ich werde dich mit genügend Mitteln ausstatten, damit du zahlungsfähig bleibst. Als Gegenleistung wirst du eine Frau meiner Wahl heiraten, und ihr werdet beide unter diesem Dach wohnen. Das sollte dich nicht weiter beeinträchtigen, da Edgecombe House zur Zeit ohnehin in einem bedauerlich baufälligen Zustand ist, und außerdem bleibt dir so die Last eines eigenen Haushalts erspart.«
»Eine Frau
deiner
Wahl!« Lucien starrte ihn an. »Warum kann ich mir nicht selbst eine aussuchen?«
»Weil keine auch nur im entferntesten passende Frau dich nehmen würde.«
Wieder setzte Lucien eine finstere Miene auf. »Und wen genau hast du im Sinn, wenn man fragen darf? Irgendeine uralte Schachtel, darauf wette ich. Eine alte Jungfer, die bereit ist, jeden zu nehmen.«
»Du schmeichelst dir«, erwiderte der Herzog trocken. »Keine Frau, wie verzweifelt ihre Situation auch immer sein mag, würde bereit sein, sich mit dir zu belasten. Die Frau, die ich im Sinn habe, wird tun, was ich will. So einfach ist das. Du brauchst dich nicht für sie zu interessieren. Ihr werdet getrennte Räume bewohnen, und privat wirst du sie strikt in Ruhe lassen. In der Öffentlichkeit werdet ihr natürlich als Paar auftreten, du mit deiner jungen Gemahlin von guter Herkunft. Das sollte dir eine überzeugende Fassade verschaffen und die Klatschmäuler zum Verstummen bringen.«
Lucien starrte ihn ungläubig an. »Sie tut, was du willst! Großer Gott, Tarquin, was für ein Teufel bist du eigentlich? Welche Macht hast du über diese Frau, um sie zu einer solchen Sache zu zwingen?«
»Das geht dich nichts an.«
Der Cousin stand auf und ging zur Anrichte, um sein Glas neu zu füllen. Er kippte den Inhalt in einem Zug herunter und schenkte sich noch einmal nach. »Alle meine Ausgaben… alle meine Schulden… ?« fragte er.
»Richtig, alle!«
»Und du wirst mich nicht jede Minute maßregeln?«
»Deine Privatangelegenheiten interessieren mich nicht.«
»Was sagt man dazu!« Er schlürfte seinen Cognac. »Ich hätte niemals gedacht, daß noch einmal der Tag kommen würde, an dem der Herzog von Redmayne
mich
um einen Gefallen bittet!«
Tarquins Ausdruck veränderte sich nicht.
»Meine Angewohnheiten sind sehr kostspielig«, meinte Lucien versonnen. Er warf einen taxierenden Blick auf den Herzog, der noch immer keine Reaktion zeigte. »Der Ruf eilt mir voraus, zehntausend Guineen an einem Abend am Farotisch zu verspielen.« Wieder keine Reaktion. »Natürlich bist du so reich wie Krösus, das wissen wir alle. Ich wage zu behaupten, daß du es dir leisten kannst, mich finanziell zu unterstützen. An deinem Bankrott möchte ich trotzdem nicht gerne schuld sein, Cousin.« Er grinste.
»Das wirst du nicht.«
»Und diese Frau… ? Wann sehe ich sie?«
»Vor dem Altar.«
»Also das geht wirklich zu weit, Tarquin! Du erwartest von mir, daß ich durch die Kirche trotte wie das sprichwörtliche Lamm zur Schlachtbank, ohne auch nur einen flüchtigen Blick auf meine Verlobte geworfen zu haben?«
»Richtig.«
»Und was sagt sie dazu? Will sie ihren Bräutigam nicht vorher sehen?«
»Was sie will, spielt keine Rolle.«
Lucien wanderte unruhig im Raum auf und ab. Er haßte es, wenn ihn sein Cousin mit diesen knappen, kategorischen Antworten abfertigte. Es vermittelte ihm immer das Gefühl, ein unmündiger Schuljunge zu sein. Andererseits… der Gedanke, daß Tarquin trotz seines offenkundigen Abscheus und seiner Verachtung bereit war, sein, Luciens, Lotterleben zu finanzieren, brachte ein Lächeln auf die Lippen des Viscounts. Tarquin würde zwar bei jedem Bankwechsel, den er unterzeichnen musste, ein Schauder über den Rücken laufen, aber er würde sein Versprechen nicht brechen. Und er hatte kein Wort davon gesagt, daß Lucien seine Ausgaben
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