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Wilde Chrysantheme

Wilde Chrysantheme

Titel: Wilde Chrysantheme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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besetztem Brokat, doch Juliana überlief ein Schauder bei dem Gedanken, ihn zu berühren. Eine Art Pesthauch schien von ihm auszuströmen, von seiner eingesunkenen Brust und den mageren Schultern, den brennenden Augen und dem gespenstisch grünlich-weißen Teint. Wie eine Friedhofsmade, dachte Juliana angewidert, als sie gegen ein plötzliches Gefühl der Übelkeit ankämpfte. Wie irgendein ekelerregender, krabbelnder Bewohner der Gräber. Es hieß, er sei krank. Was konnte er nur haben, das ihn derart aufzehrte und diese Aura von Verfall erzeugt, als ob er von innen heraus langsam verfaulte?
    Juliana zögerte, während ihr Blick in einer fast verzweifelten Bitte um Beistand erst zu Quentin schweifte, dann zu dem Herzog. »Ich denke, wir können jetzt alle eine kleine Erfrischung vertragen«, sagte Quentin, noch bevor Tarquin die Initiative ergriff. »Kommen Sie, meine Liebe.« Er nahm Julianas Hand, schob sie unter seinen Arm, und die frischgebackene Viscountess Edgecombe schritt nach ihrer Trauung am Arm des Cousins ihres Ehemannes den Mittelgang hinunter. Ihr Ehemann schiendete hinter ihnen her, damit beschäftigt, sich eine Prise Schnupftabak einzuverleiben, und Tarquin ging mit dem Priester und Rechtsanwalt Copplethwaite in die Sakristei, um den geschäftlichen Teil der Trauung zu regeln.
    Draußen vor dem Kirchenportal atmete Juliana in tiefen Zügen die schwüle Luft ein und zwang sich, erneut einen Blick auf ihren Gemahl zu werfen. In dem hellen Sonnenlicht wirkte seine Gesichtsfarbe sogar noch erschreckender. Seine grünliche Haut war straff über seinen Schädel gespannt und enthüllte jeden Knochen und jede Einbuchtung. Er sah so alt aus wie Methusalem und zugleich so jung wie sie selbst. Plötzlich krümmte er sich in einem heftigen Hustenanfall vornüber, wobei sich seine magere Brust krampfhaft hob und senkte, und Schweißperlen auf seine Stirn traten. Juliana schaute in mitleidigem Entsetzen zu, während er hustete, als ob er jeden Moment seine Lungen ausspeien würde.
    »Können wir nicht irgendwas tun, um ihm zu helfen?« fragte sie Quentin, der neben ihr stand und die Szene mit angespannter, wütender Miene verfolgte.
    »Nein«, erwiderte er knapp. »Er braucht Cognac.«
    »Was ist nur mit ihm los?« flüsterte sie. »Der Herzog sagte, er sei krank… aber was ist denn das für eine Krankheit?«
    »Er hat es Ihnen nicht gesagt?« Quentins Augen blitzten vor Zorn, und in diesem Moment sah er seinem Halbbruder verblüffend ähnlich.
    »Was habe ich ihr nicht gesagt?« Tarquins Stimme ertönte auf der Treppe hinter ihnen. Er warf einen Blick auf den noch immer von Hustenkrämpfen geschüttelten Lucien, dann kam er die letzte Stufe herunter.
    »Das Kind weiß nicht, woran ihr Ehemann leidet«, erwiderte Quentin streng. »Du solltest dich wirklich schämen, Tarquin!«
    »Juliana wird nichts mit Lucien zu tun haben. Also, welche Rolle spielen schon für sie Luciens Gebrechen?« sagte Tarquin, als er seine Schnupftabakdose aus der Tasche zog. »Dein Ehemann ist von der Syphilis zerfressen,
Mignonne.
Aber ich verspreche dir, daß er dich nicht anrühren wird.«
    Juliana starrte den Herzog sprachlos an, als dieser gelassen eine Prise Tabak schnupfte, die Dose wieder in seiner Tasche verschwinden ließ und Lucien dann einen kräftigen Schlag auf den Rücken versetzte. »Komm, Edgecombe. Wir werden dir ein Glas Cognac in die Kehle gießen, dann geht es dir gleich besser.«
    Lucien richtete sich auf und vergrub sein schweißüberströmtes Gesicht in seinem Taschentuch. »Allmächtiger!« stieß er heiser hervor, als er wieder einigermaßen zu Atem gekommen war. »Ich dachte schon, ich würde elendiglich ersticken.« Er wischte sich Mund und Nase ab und schob sein Taschentuch in den Anzug zurück. Dann musterte er seine Ehefrau mit einem anzüglichen Grinsen. »Tut mir leid, liebe Braut. Das war kein sonderlich guter Eindruck, den Sie von Ihrem Gatten bekommen haben, nicht wahr?«
    »Nein«, sagte Juliana erschüttert. »Müssen wir noch weiter so auf der Straße herumstehen?« Sie strich mit einem Ausdruck tiefen Abscheus über das bräutliche Weiß ihres Kleides. Was für ein Hohn, derart aufgeputzt zu sein für eine solche teuflische Farce.
    »Meine Kutsche steht bereit.« Tarquin nahm ihren Arm und führte sie über die Straße zu der Stelle, wo eine leichte Stadtkutsche wartete, auf deren Türen das Redmaynesche Wappen prangte. »Quentin, begleitest du uns zurück zur Albermarle Street?«
    Sein Bruder

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