Wilde Chrysantheme
zuverlässig. Ich bin sicher, ihr werdet gut miteinander auskommen.«
Er sagte nichts davon, daß er für Juliana eine ältere, mütterliche Person zu ihrer Betreuung vorzog, statt eine der überheblichen und schnippischen jungen Frauen, die gewöhnlich von Damen der Gesellschaft als Zofen engagiert wurden.
Juliana schwieg noch immer beharrlich. Tarquin schwang eine breite Flügeltür auf.
»Dein Schlafgemach. Das Boudoir ist durch die Tür auf der Linken zu erreichen.« Er bedeutete ihr mit einer Geste, in das große, helle, in Gold und Weiß eingerichtete Schlafzimmer vorzugehen. Das enorme Bett schmückte ein breiter Baldachin mit Vorhängen aus goldfarbenem Damast, die Überdecke bestand aus weißem, besticktem Kambrikbatist. Die Möbel stammten aus Künstlerhand, mit gedrechselten Spindelbeinen sowie elegant geschwungenen Arm- und Rückenlehnen, auf der Chaiselongue und den Sesseln glänzte gold-weiß gemusterter Brokat. Schalen mit gelben und weißen Rosen verströmten einen süßen Duft. Julianas Füße versanken fast in dem dicken, cremefarbenen Teppich, in dem sich goldene Blumen rankten, als sie den Raum betrat.
»Oh, was für ein elegantes Zimmer!« Ihre Verbitterung und ihr Zorn schmolzen dahin, während sie sich hingerissen umschaute. Beim Anblick dieses Inbegriffs von Luxus und gutem Geschmack drängte sich ihr unwillkürlich der Vergleich mit den häßlichen, schweren, zerkratzten, eingedellten und verschossenen Möbeln in Sir John Ridges Haus auf, und der Vergleich fiel nicht sonderlich günstig aus.
Tarquin lächelte erfreut über ihr Lob und fragte sich dann vage, warum ihm die Anerkennung dieses jungen Dings, das fast noch ein halbes Kind war, so viel bedeutete. Juliana war inzwischen zu der Tür des Boudoirs hinübergelaufen, und er konnte ihre entzückten Ausrufe hören, als sie den kleinen, intimen Raum erforschte. »Wie hübsch alles eingerichtet ist!« Sie kehrte in das Schlafzimmer zurück, und ihre Augen leuchteten vor Freude. »Ich hätte ja niemals erwartet, daß ich einmal in einer solch eleganten Umgebung wohnen würde«, gestand sie.
»Du wirst eine Zierde für diese Räume sein, meine Liebe«, erwiderte Tarquin, noch immer mit einem unfreiwilligen Lächeln auf den Lippen über ihre aufrichtige Begeisterung.
»Oh, ich wage doch zu behaupten, daß das gesamte Zimmer innerhalb von zehn Minuten aussehen wird, als hätte hier ein Taifun gewütet«, gab sie spitz zurück.
Tarquin streckte ihr versöhnlich die Hände hin. »Komm, laß uns Frieden schließen. Ich wollte dich mit meiner Bemerkung nicht kränken. Tatsächlich finde ich deine… deine etwas willkürliche Art, dich fortzubewegen, sogar sehr reizvoll.«
Juliana betrachtete ihn ungläubig. »Tut mir leid, aber ich verstehe nicht, wie jemand Unbeholfenheit reizvoll finden kann.«
»Du hast etwas höchst Verführerisches an dir, Juliana. Ob du nun der Länge nach auf dem Fußboden liegst oder auf deinen Füßen stehst.« Seine Stimme war plötzlich eine warme Liebkosung, sein Lächeln eindeutig sinnlich, sein Blick eine stumme, unwiderstehliche Einladung.
Wie in Trance bewegte sich Juliana auf ihn zu, da die klaren grauen Augen sie anzogen wie der Sog der Schwerkraft. Tarquin hielt sie leicht bei den Schultern und blickte in ihr emporgewandtes Gesicht. »Es gibt so viele, sehr viel erfreulichere Dinge, die wir tun können, meine Süße, statt uns zu streiten.«
Sie wollte ihm sagen, daß er ein hinterhältiger, verabscheuungswürdiger Hurensohn war. Sie wollte ihn verfluchen, ihm die Pest an den Hals wünschen. Doch sie tat nichts von alledem, sondern stand nur wie hypnotisiert da und blickte zu ihm auf, während sie sich in den Tiefen seiner Augen verlor und atemlos darauf wartete, seine feingeschwungenen, sinnlichen Lippen auf ihren zu spüren. Und als er dann Besitz von ihrem Mund ergriff, gab sie sich dem Kuß mit einem winzigen Stöhnen süßer Befriedigung hin, öffnete ihm ihre Lippen, schob hungrig ihre Zunge tief in seinen Mund und atmete sehnsüchtig den Duft seiner Haut ein, während sie voller Leidenschaft ihre Finger in seinem Haar vergrub und sein Gesicht noch näher an ihres zog, als könnte sie einfach nicht genug von ihm bekommen.
Tarquin drängte sie rückwärts zu dem Bett hinüber, und Juliana fiel in einem Wirbel von jungfräulich weißer Seide in die Kissen. Sein Gesicht war dicht über ihrem, und seine Miene drückte jetzt einen wilden, primitiven Hunger aus, der ein ähnlich heftiges Gefühl
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