Wilde Chrysantheme
Unbehagens in ihr auslöste. Hastig stolperte sie in eine neue Richtung, um den eigenartigen Bann zu brechen, in dem sein Blick sie gefangenzuhalten suchte.
»Und wo gedenken Sie mich hinzustecken, wenn Lady Lydia Ihre Herzogin wird?«
Der Zauber des Augenblicks war verflogen. Tarquin ließ ihr Kinn los. »Ich habe nicht die Absicht, dich irgendwo
hinzustecken.
Natürlich, wenn du einen Erben und Nachfolger für Edgecombe zur Welt bringst, wirst du in deine eigenen Räume übersiedeln, sowohl hier im Haus als auch in Redmayne Abbey. Wo du es dann vorziehst zu wohnen, bleibt einzig und allein deine Entscheidung. Wenn du dieses Haus verlassen möchtest, um deinen eigenen Haushalt einzurichten, dann kannst du das selbstverständlich tun; das Kind jedoch wird hierbleiben.«
»Und wenn ich kein Kind bekomme?«
»Ich dachte, diesen Punkt hätten wir bereits ausführlich mit Copplethwaite diskutiert«, erinnerte Tarquin sie jetzt ungeduldig.
»Die Frage Ihrer Heirat wurde nicht aufgeworfen.«
Mit einer Miene milder Nachsichtigkeit begann er, die einzelnen Punkte an seinen Fingern aufzuzählen. »Nach meiner Heirat… nach dem Tod deines Ehemannes… ob du ein Kind hast oder nicht… wird es dir als der Witwe des Viscounts freistehen, dich in Edgecombe Court niederzulassen. Das Kind – wenn eines da ist – soll unter meiner Aufsicht erzogen werden. Wenn
kein
Kind da ist, ist die Regelung denkbar einfach. Solltest du eines haben und es vorziehen, anderswo zu leben, werde ich dir ein großzügiges Besuchsrecht für deinen Nachwuchs einräumen. Ist nicht all das bereits ausreichend geklärt worden?«
»Ich fürchte, ich bin ein bißchen schwer von Begriff, Euer Gnaden.«
»Dann besteht also der Mond aus grünem Käse!«
Juliana focht einen stummen Kampf mit sich aus, um ihren bitteren Groll zu verbergen. Alle ihre Instinkte rebellierten gegen diese kalte Beschneidung mütterlicher Rechte. Angenommen, sie und der Herzog zerstritten sich unwiderruflich, hatten irgendeine schreckliche Auseinandersetzung, zufolge derer sich ihre Beziehung nicht mehr kitten ließ? Wie sollte sie es unter solchen Umständen noch weiter in seiner Nähe aushalten? Und wie könnte sie einfach ausziehen und ihr eigenes Kind zurücklassen?
Aber was waren sie und das Kind für den Herzog schon anderes als Besitztümer! In allen Schichten der Gesellschaft wurden Frauen nach Belieben gekauft oder verkauft. Halbverhungerte Männer verkauften ihre Ehefrauen auf dem Marktplatz für einen Laib Brot. Königliche Prinzessinnen wurden wie Vieh an ausländische Höfe verfrachtet, um Kinder zu gebären und auf diese Weise Allianzen zu festigen zur Vereinigung von Ländern und Armeen sowie zur Füllung von Schatztruhen. Juliana erkannte all dies, als sie sich einer Welt außerhalb des Kinderzimmers bewußt wurde. Aber jetzt war es verdammt hart, sich selbst auf diese Weise zu sehen.
Tarquin betrachtete sie mit einem fragenden Stirnrunzeln. Als sie stumm blieb, wechselte er behutsam das Thema. »Hast du schon Pläne für heute?«
Die Frage verblüffte sie. Ihr ganzes Leben lang hatten andere über sie bestimmt – hatten sie beherrscht und schließlich in dem Haus in der Russell Street eingesperrt. Ihr war überhaupt nicht in den Sinn gekommen, daß die Freiheit zu tun, was ihr gefiel, und zu gehen, wohin auch immer sie wollte, sie sozusagen entschädigte für ihre indirekte Versklavung.
»Daran habe ich gar nicht gedacht.«
»Reitest du?«
»Aber ja, natürlich. Im Winter war es in Hampshire oft die einzige Möglichkeit hineinzukommen, wenn die Straßen im Schnee versanken.«
»Würdest du gern ein Pferd haben?« fragte Tarquin lächelnd.
»Aber wo könnte ich hier denn ausreiten?«
»Im Hyde Park, wenn es dir auf die gemächliche Art gefällt. Aber in Richmond macht ein Ausritt sehr viel mehr Spaß.« Ihre Überraschung und Begeisterung über diese Wende des Gesprächs versetzten ihm einen freudigen Stich. Wie leicht es doch ist, Juliana glücklich zu machen, dachte Tarquin. Und auch, sie zu verletzten, mahnte er sich, verdrängte aber diesen Gedanken rasch. »Wenn du möchtest, werde ich dir heute morgen bei Tattersall ein Pferd kaufen.«
»Oh, darf ich mitkommen?« Sie schlug die Bettdecke zurück und sprang schwungvoll auf die Füße, wobei sich ihr Nachthemd wie eine duftige Wolke um sie bauschte.
»Ich fürchte, das geht nicht. Es ist nicht üblich, daß Damen dort erscheinen.« Sein Blick blieb auf der vollen Rundung ihrer Brüste haften,
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