Wilde Chrysantheme
tun kann… wonach steht Ihnen der Sinn?«
»Beschäftigung«, erwiderte sie mit einem wehmütigen Lächeln. »Ich bin fix und fertig angekleidet und bereit, zu sehen und gesehen zu werden; aber ich weiß nicht, wo ich hingehen soll und habe nichts zu tun.«
Quentin lachte. »In ein oder zwei Tagen werden Sie Höflichkeitsbesuche erwidern müssen, und ich habe gehört, daß Tarquin ein Reitpferd für Sie beschaffen will. Aber bis dahin könnten Sie im Park Spazierengehen, wenn Sie meine Begleitung akzeptieren. Oder Sie suchen eine Fahrbücherei auf oder schauen sich in den Geschäften um. Auch eine Sänfte ist für Sie da sowie eine Kutsche. Aber wenn Sie es vorziehen, zu Fuß zu gehen, dann wird ein Lakai Sie begleiten.«
»Oh«, sagte Juliana schwach, überwältigt von dieser Vielzahl an Möglichkeiten. »Und ich nehme an, ich darf auch die Bibliothek des Herzogs benutzen?«
»Gewiß«, bestätigte Quentin. »Alles in diesem Haus steht zu Ihrer Verfügung.«
»Hat seine Gnaden das gesagt?«
Quentin lächelte. »Nein, aber mein Bruder ist wirklich mehr als großzügig. Wir alle leben bis zu einem gewissen Grad von seiner Freigebigkeit, und ich habe noch nie erlebt, daß er jemandem etwas vorenthalten hätte, selbst Lucien nicht.«
Juliana mochte durchaus an die Generosität des Herzogs glauben. Es war die einzige Eigenschaft, die ihr an ihm uneigennützig vorkam. Sie verspürte ein flüchtiges Mitgefühl für seine Enttäuschung, wenn er merkte, daß seine Großzügigkeit schamlos ausgenutzt wurde.
»Wohnen Sie auch hier, Mylord?« fragte sie.
»Nur wenn ich in London weile. Mein Zuhause ist im Domhof der Kathedrale von Melchester in Hertfordshire, wo ich Chorherr bin.«
Juliana nahm diese Information mit einem nachdenklichen Nicken auf. Chorherren besaßen großen Einfluß in der Kirchenhierarchie. Sie wechselte das Thema. »Warum wohnt mein Ehemann hier? Hat er keine eigene Adresse?«
Der Lakai erschien mit dem Kaffee, und Quentin wartete mit seiner Antwort ab. Juliana sah, daß zwei Tassen auf dem Tablett standen. Offensichtlich hatten es sich die Bediensteten zur Aufgabe gemacht, zu wissen, wann ihre Herrschaft im Hause war.
»Es gehört zu dem Arrangement, auf dem Tarquin bestanden hat«, erklärte Quentin ihr, nachdem der Lakai wieder gegangen war. Er nahm dankend eine Tasse Kaffee von Juliana entgegen. »Zu Ihren Gunsten. Man würde ohne Zweifel von Ihnen erwarten, daß Sie unter demselben Dach wie Ihr Ehemann leben. Luciens eigener Haushalt bietet keine nennenswerten Annehmlichkeiten, um es milde auszudrücken. Er wird ständig von Gläubigern belagert. Außerdem kann Tarquin ein wachsames Auge auf ihn werfen, wenn Lucien hier wohnt.«
»Um sicherzugehen, daß er mich nicht belästigt?« Juliana zog spöttisch eine Braue hoch.
Eine dunkle Röte überzog Quentins Wangen. »Wenn ich der Überzeugung wäre, daß Tarquin Sie nicht schützen würde, Ma'am, dann wollte ich mit dieser Angelegenheit nichts zu tun haben.«
»Hätten Sie denn überhaupt eine Wahl?« fragte sie sanft. »Ist Ihr Bruder nicht ein… ein Meister der Überredungskunst?«
Quentins Röte vertiefte sich noch. »Ja, das stimmt. Aber ich möchte doch behaupten, daß er mich nicht dazu überreden könnte, etwas zu tun, was ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren kann.«
»Und dieser hinterhältige Plan
läßt
sich mit Ihrem Gewissen vereinbaren?« Juliana klang unverhohlen ungläubig, als sie eine Scheibe Toast von dem Teller nahm. Augenblicklich bereute sie ihre Frage, als sie sah, wie bekümmert Quentin war. Sie hegte keinen Groll gegen ihn – tatsächlich spürte sie, daß er ohne zu zögern Partei für sie ergreifen und ihr ein zuverlässiger Freund sein würde, wenn sie seine Hilfe bräuchte.
»Was soll ich dazu sagen?« erwiderte er kläglich. »Zugegeben, es ist ein abscheulicher Plan… und dennoch wird er eine ganze Reihe von Problemen lösen und der Familie aus einer großen Verlegenheit helfen.«
»Das Interesse der Familie steht natürlich an oberster Stelle?«
»So ziemlich«, sagte Quentin schlicht. »In erster Linie bin ich ein Courtney, bevor ich irgend etwas anderes vertrete. Das gleiche gilt für Tarquin. Aber ich bin fest überzeugt, er wird Sorge tragen, daß Sie nicht unter diesem Arrangement leiden… und…« Unbehaglich hielt er inne. »Verzeihen Sie mir, aber ich habe wirklich den Eindruck, daß Sie von diesem Plan profitieren können, wenn Ihnen Tarquin selbst nicht zuwider ist.«
Juliana war zu
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