Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wilde Flammen

Wilde Flammen

Titel: Wilde Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
sie genau. Nein, da war keine Durchtriebenheit, keine Verschlagenheit in ihrem Blick. »Das sehe ich«, meinte er schließlich. »Lassen Sie uns bei Ihren Löwen beginnen.«
    Â»Oh.« Ihre Stirn glättete sich sofort. »Ja, natürlich.« Sie sah zu, wie er eine Zigarette hervorholte und sie anzündete, bevor sie anhob: »Ich habe dreizehn – sieben Männchen und sechs Weibchen. Allesamt afrikanische Löwen, zwischen viereinhalb und zweiundzwanzig Jahre alt.«
    Â»Aber in Ihrer Show waren doch nur zwölf Tiere?« Keane ließ das Feuerzeug zurück in die Tasche gleiten.
    Â»Stimmt. Ari ist im Ruhestand.« Jo deutete auf den Käfig, in dem ein großer Löwe vor sich hin döste. »Er reist mit, weil er schon immer dabei war, aber ich arbeite nicht mehr mit ihm. Er ist der Älteste, zweiundzwanzig. Er wurde in Gefangenschaft geboren und hat schon mit meinem Vater gearbeitet. Dad hat ihn behalten, weil Ari am selben Tag geboren wurde wie ich.« Jo seufzte. »Er ist der Letzte, der noch von der Truppe meines Vaters übrig ist. Ich könnte ihn niemals an einen Zoo verkaufen. Das wäre, als würde man einen greisen Verwandten ins Altersheim abschieben. Er ist sein ganzes Leben bei diesem Zirkus gewesen, genau wie ich. Sein Name ist übrigens das hebräische Wort für ›Löwe‹.«
    In glückliche Erinnerungen versunken lachte Jo auf und hatte den Mann neben sich fast vergessen. »Dad hat immer Namen ausgesucht, die irgendetwas mit ›Löwe‹ zu tun hatten – Leo, Leonhard, Leonora. Zu seiner Glanzzeit war Ari der beste Springer überhaupt. Klettern konnte er auch, was lange nicht alle Katzen tun. Ari konnte ich alles beibringen. Nicht wahr, mein Guter, du bist eine clevere Katze.« Der alte Löwe reagierte sofort auf ihre sanfte Stimme. Er öffnete die Augen und starrte sie unverwandt an, dann ließ er ein zustimmendes Knurren hören und schlief wieder weiter. »Er ist so müde.« Jo klang bedrückt. »Zweiundzwanzig ist alt für einen Löwen.«
    Bevor sie sich abwenden konnte, hatte Keane die Trauer in ihren Augen gesehen und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Was ist denn?«
    Â»Er stirbt«, antwortete sie gepresst. »Und ich kann nichts für ihn tun.« Abrupt steckte sie die Hände in die Taschen und ging zum nächsten Käfig. Bis Keane ihr folgte, hatte sie zweimal tief durchgeatmet und ihre Fassung wiedererlangt. »Mit diesen zwölfen arbeite ich«, sagte sie und zeigte mit einer ausholenden Geste in die Runde. »Gefüttert werden sie einmal pro Tag. Rohes Fleisch an sechs Tagen, am siebten Milch und Eier. Sie alle wurden aus Afrika importiert und waren schon an den Käfig gewöhnt, als sie herkamen.«
    Orgelklänge drangen zu ihnen herüber, die Melodie ließ sie wissen, dass das Zirkusgelände inzwischen für Besucher geöffnet war.
    Â»Das da ist Merlin. Er ist derjenige, auf dem ich am Ende der Vorstellung hinausreite. Er ist zehn und die gutmütigste Katze, mit der ich je gearbeitet habe. Heathcliff hier«, fuhr sie fort und ging zum nächsten Käfig, »ist der beste Springer der Gruppe. Er ist sechs. Und das ist Faust«, sagte sie beim nächsten Käfig. »Unser Baby mit viereinhalb.« Die Tiere marschierten in ihren Käfigen auf und ab, während Jo mit Keane weiterging. Sie konnte sich nicht zurückhalten und gab Faust ein Zeichen mit der Hand, woraufhin der Löwe gehorsam ein ohrenbetäubendes Brüllen hören ließ. Leider zuckte Keane aber nicht erschreckt zurück, wie Jo gehofft hatte.
    Â»Beeindruckend«, sagte er nur gelassen. »Er ist der in der Mitte, wenn Sie sich auf die Tiere legen, nicht wahr?«
    Â»Ja.« Sie beschloss, offen auszusprechen, was sie dachte. »Sie besitzen eine genaue Beobachtungsgabe. Und gute Nerven haben Sie scheinbar auch.«
    Â»Das bringt mein Beruf mit sich«, behauptete er.
    Jo dachte einen Moment über die Bemerkung nach, wandte sich dann aber kommentarlos wieder ihren Löwen zu. »Dieser hier ist Lazareth«, stellte sie den nächsten Löwen vor. »Er ist zwölf und ein richtiger Schauspieler. Bolingbroke, zehn. Er und Merlin sind Brüder. Und das ist Hamlet«, sagte sie. »Hamlet ist fünf. Er hat Aris Platz in der Gruppe übernommen.« Sie blickte dem Löwen unentwegt in die goldenen Augen. »Er hat echtes

Weitere Kostenlose Bücher