Wilde Flammen
würden sich berühren. Seltsam, welche Wirkung dieser Mann auf sie hatte. Plötzlich schienen ihre Sinne alles viel deutlicher wahrzunehmen, den Duft des Grases, die Wärme der Sonnenstrahlen, das Zwitschern der Vögel. Sie erinnerte sich an den Geschmack seiner Lippen und fragte sich, ob er jetzt der gleiche sein würde.
»Ich bin zu beschäftigt, um mich auf so etwas einzulassen.« Ihre Stimme klang ruhig, doch in ihren Augen stand ein fragender Ausdruck.
Zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte Jo sich, von einem Mann geküsst zu werden. Sie wollte fühlen, was sie am Abend zuvor gefühlt hatte. Sie wollte von ihm gehalten werden, nicht leicht, sondern in einer festen Umarmung, bis sie sich schwerelos vorkam und zu schweben meinte. Noch nie hatte sie körperliches Verlangen verspürt, und für einen Augenblick erlaubte sie sich, diese neue Empfindung zu erforschen. Ihr Magen zog sich ein wenig zusammen, es war ein verwirrendes, aber gleichzeitig sehr angenehmes Gefühl.
Keane hatte sie nicht aus den Augen gelassen. »Woran denken Sie gerade?«
»Ich frage mich, warum ich mich in Ihrer Gegenwart so seltsam fühle«, antwortete sie mit schlichter Offenheit.
»Tun Sie das?« Diese Information schien ihm zu gefallen. »Wissen Sie eigentlich, dass Ihr Haar die Sonne einfängt?« Er nahm eine Handvoll auf und lieà sich die seidige Flut durch die Finger gleiten. »Solches Haar habe ich bei keiner anderen Frau gesehen. Das allein ist schon Versuchung genug. Sagen Sie, Jolivette, wieso fühlen Sie sich denn in meiner Gesellschaft seltsam?«
»Das weià ich noch nicht.« Selbst in ihren eigenen Ohren klang ihre Stimme belegt. Sich zu wünschen, von ihm geküsst zu werden, war albern und brachte nichts ein! Abrupt stand sie auf und wischte sich das Gras vom Hosenboden.
»Also laufen Sie weg?«
Ihr Kopf ruckte hoch, als er aufstand. »Ich laufe nie weg, Mr Prescott, vor nichts und niemandem.« Ihre Stimme klirrte vor Kälte. Sie ärgerte sich über sich selbst, dass sie schon wieder seinem Charme erlegen war. »Und schon gar nicht vor einem Anwalt aus der Stadt. Warum gehen Sie nicht zurück nach Chicago und bringen ein paar Schurken hinter Gitter?«
»Ich bin Strafverteidiger«, hielt er ungerührt dagegen. »Mein Job ist es, die Leute aus dem Gefängnis herauszuholen.«
»Auch gut. Dann sehen Sie zu, dass Sie ein paar Kriminelle wieder auf die StraÃe bringen.«
Keane lachte auf und brachte Jo damit noch mehr in Rage. »Eine interessante Beschreibung meiner Arbeit. Sie faszinieren mich, Jolivette.«
»Seien Sie versichert, das war nie meine Absicht.« Sie würde ihm nicht erlauben, sich über sie lustig zu machen. »Sie gehören nicht hierher«, sprudelte es aus ihr heraus. »Sie haben hier überhaupt nichts verloren.«
»Im Gegenteil«, widersprach er beherrscht. »Mir gehört der Zirkus.«
»Wie kommen Sie darauf? Weil es auf einem Stück Papier steht?« Sie warf die Hände in die Luft. »Etwas anderes begreift ein Anwalt ja nicht â Stapel von Papier, gespickt mit Sätzen, die kein Normalsterblicher versteht. Warum sind Sie hergekommen? Wollen Sie sich ausrechnen, wie viel Sie mit uns verdienen können? Wie hoch lässt sich der Wert eines Traums ansetzen? Welcher Preis wird heutzutage für die Fantasie eines Menschen gezahlt? Sehen Sie sich doch nur um!« Sie machte eine umfassende Geste, die den gesamten Zirkusplatz einschloss. »Sie sehen nur Zelte und Wohnwagen. Die wahre Bedeutung können Sie gar nicht verstehen. Aber Frank wusste es. Er liebte es.«
»Darüber bin ich mir klar.« Noch immer blieb seine Stimme ruhig, auch wenn sich ein stahlharter Unterton einschlich. Seine Augen wurden dunkler. »Frank liebte den Zirkus, und er hat ihn mir hinterlassen.«
»Ich werde nie verstehen, warum.« Frustriert steckte Jo die Hände in die Taschen und wandte sich ab.
»Ich wohl auch nicht, dennoch ist es eine Tatsache.«
»Kein einziges Mal in dreiÃig Jahren haben Sie ihn besucht.« Sie drehte sich so abrupt zu ihm um, dass ihre Haare flogen. »Nicht ein Mal.«
»Stimmt.« Mit gespreizten Beinen stand er da und sah auf sie herunter. »Man könnte es natürlich auch andersherum sehen â kein einziges Mal in dreiÃig Jahren hat er mich besucht.«
»Ihre Mutter hat ihn verlassen und Sie
Weitere Kostenlose Bücher