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Wilde Flucht

Wilde Flucht

Titel: Wilde Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
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ausgebrochen war, würde umstritten sein. Spekulationen darüber, ob einer seiner erklärten Investorenfeinde etwas damit zu tun hatte oder ob Powell das Feuer in einer betrunkenen Anwandlung von Zorn und Depression selbst gelegt hatte, würden sich wahrscheinlich monatelang halten.
    » Ich weiß nicht, ob mir diese Art Nahkampf gefällt«, sagte der Alte kurz vor der Autobahnauffahrt. » Und den ewigen Regen und den Dschungel hier mag ich erst recht nicht.«
    Charlie ging nicht darauf ein, sondern fragte ihn, ob er die Patronenhülse aufgehoben habe. Der Alte seufzte und zeigte sie ihm. Wenn Charlie eines war, dann gründlich. Und nach Meinung des Alten hieß das: absolut effizient und vollkommen herzlos.
    » Wo wartet unser nächstes Projekt?«, fragte er.
    » In Montana.«
    » Ich hatte gehofft, wir würden eine Pause einlegen. Wir sind ständig unterwegs. Binnen vier Tagen habe ich die Rocky Mountains und den Pazifik gesehen. Wir sind mehr Kilometer gefahren, als ich mir bewusst machen möchte.«
    Es war das erste Mal, dass der Alte sich über seine Arbeit beklagte, und sein Jammern trug ihm einen gequälten Seitenblick von Charlie Tibbs ein.
    » Wir haben einen Job übernommen, und den werden wir zu Ende bringen«, sagte er entschieden und doch so leise, dass seine Stimme kaum durch das Sirren der Reifen auf der regennassen Straße drang.
    Der Alte ließ das Thema auf sich beruhen. Er sah die dunklen, nassen Bäume im Scheinwerferlicht vorbeiflackern. Der Regen nahm einfach kein Ende. Der Himmel hing bleischwer über ihnen, anscheinend auf Höhe der Baumkronen. Sie schienen durch einen Tunnel zu fahren. Er schloss kurz die müden Augen.
    Als er die Lider wieder öffnete, zitterten seine Hände noch immer. Der große schwarze Pick-up raste wie ein Hai auf Landgang nach Osten und fraß die nass glänzende Straße Kilometer um Kilometer.
    Da fahren wir also ostwärts, um den Traum vom alten Westen zu verwirklichen, dachte der Alte.

8
    Marybeth knallte den Hörer auf die Gabel und blickte sich nervös im Haus um. Vielleicht wurde sie beobachtet? Dem war natürlich nicht so. Dennoch zitterte sie, war ängstlich und zornig. Und sehr verlegen.
    Am Telefon hatte sich die gleiche Stimme gemeldet wie am Vortag. Und genau zur gleichen Zeit: nachdem die Kinder sich auf den Weg zur Schule gemacht hatten und Joe an seine Arbeit gegangen war, doch ehe Marybeth zu ihrem Job auf dem Pferdehof losgefahren war. Der Mann hatte entweder sehr gut geraten, wann er ungestört mit ihr reden konnte, oder er kannte ihren Zeitplan. Das war beunruhigend, so oder so.
    » Spreche ich mit Mary?«, hatte der Anrufer gefragt. » Geburtsname Harris?«
    So weit war er am Vortag gekommen, ehe sie aufgelegt hatte. Als das Telefon an diesem Morgen wieder läutete, wusste sie intuitiv, dass er es war. Diesmal wollte sie wissen, warum er anrief, obwohl sie fürchtete, den Grund bereits zu kennen.
    » Wer spricht da?«, fragte sie.
    Er stellte sich als Journalist des Magazins Outside vor und sagte, er recherchiere für eine Geschichte über den verstorbenen Ökoaktivisten Stewie Woods.
    » Warum rufen Sie mich dann an?«, fragte sie. » Sie sollten mit unserem Sheriff oder mit meinem Mann sprechen. Soll ich Ihnen die Nummer des Sheriffs geben?«
    Der Journalist zögerte. » Sie sind Mary, oder?«
    » Mary beth«, berichtigte sie ihn. » Marybeth Pickett.«
    » Aber früher hießen Sie Mary Harris?«, fragte er.
    » Ich habe immer Marybeth geheißen«, beharrte sie. Das war nicht wirklich gelogen. Nur zwei Menschen hatten sie je Mary genannt.
    Der Journalist klang diesmal vorsichtiger. » Vielleicht habe ich die falsche Person erwischt, und in diesem Fall möchte ich mich dafür entschuldigen, Ihnen Zeit gestohlen zu haben. Aber meine Recherche hat mich zu Ihnen geführt«, sagte er. » Haben Sie Stewie Woods als Jugendliche gekannt?«
    Daraufhin hatte sie den Hörer auf die Gabel geknallt.
    Es war ein wunderbarer Sommer gewesen, damals, und obwohl sie den Sommer zwischen High School und College tief im Gedächtnis verräumt hatte, meldete er sich von Zeit zu Zeit bei ihr. Sie hatte ihn stets erfolgreich abgewimmelt und sich den Erinnerungen nie überlassen, sondern diese Blume mit dem Absatz in die Erde zurückgetreten. Doch als sie in der Zeitung von Stewie Woods’ Tod gelesen hatte, war alles wieder hochgekommen. Selbst jetzt, fünfzehn Jahre später, leuchtete die Erinnerung daran noch.
    Damals war er schrecklich unscheinbar und doch charismatisch

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