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Wilde Flucht

Wilde Flucht

Titel: Wilde Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Anrufen des Journalisten erfahren. Es war besser, wenn sie ihm davon erzählte, als wenn er davon durch einen Magazinbericht oder auf andere Weise erfuhr. Es wurde Zeit.
    Marybeth sah auf die Uhr und stellte fest, dass sie zu ihrer Arbeit auf dem Pferdehof aufbrechen musste.
    Als sie ihre Tasche nahm und zur Haustür ging, hörte sie das Telefon in der Küche erneut klingeln.

9
    Weil der Schnee endlich geschmolzen war und auch die durch abgelegene Waldgebiete führenden Gebirgsstrecken allmählich wieder für Allradautos geöffnet wurden, begannen Angler, an den Bächen und Flüsschen der Bighorns aufzutauchen, und Joe Pickett musste Angelscheine kontrollieren und dafür sorgen, dass nur die zulässigen Mengen gefischt wurden. Die meisten Bäche führten noch trübes Hochwasser. Erst in einem Monat würden sie klar werden und auf den normalen Stand sinken, doch die Angelführer brachten ihre zum Fliegenfischen angereisten Kunden bereits an die tieferen und ruhigeren Stellen der Bäche und an die von Bibern gestauten Seen. Eintagsfliegen – für Fliegenfischer die ersten Sommerboten – hatten zu schwärmen begonnen. Und wo es Angler und Anglerinnen gab, galt es auch Angelscheine zu prüfen. Die Fischer nahmen die Hazelton Road, um zu den Bächen zu gelangen, und so kam Joe wieder in die Nähe des Ortes, an dem das Rind explodiert war. Ohne recht zu wissen, warum, wollte er den Krater noch einmal sehen.
    Er näherte sich ihm auf dem Weg, den er zwei Wochen zuvor mit Sheriff Barnum und Deputy McLanahan genommen hatte. Rettungssanitäter, Kriminaltechniker, staatliche Ermittler und die vielen Neugierigen und Einheimischen, die von der Straße zum Tatort und zurück gepilgert waren, hatten den schmalen Pfad zu einem breiten Weg werden lassen – zertrampelt und nicht zu verfehlen.
    Joe wollte den Tatort noch mal bei Tageslicht sehen und möglichst einen Grund für das Gefühl finden, das er an jenem Abend gehabt hatte – das Gefühl nämlich, beobachtet zu werden. Auf dem Weg zum Krater hoffte er, etwas werde seinen noch immer vorhandenen Argwohn lindern.
    Solche Dinge waren ihm früher schon widerfahren. Es gab eine Straßenkurve in den Vorbergen der Bighorns, in der er monatelang stets ein unangenehmes Gefühl nicht losgeworden war. Ein Espenwäldchen dort hatte etwas Beunruhigendes gehabt und ihn zumal in den Abendstunden mit seinen von der sinkenden Sonne überlangen Schatten und einer seltsamen Lautlosigkeit verunsichert. Schließlich hatte er angehalten und war den grasbewachsenen Hang hinaufgegangen. Kurz vor den Bäumen hatte er seine Waffe gezogen, weil das ungute Gefühl – was immer es gewesen sein mochte – stärker wurde. Dann hatte er es gesehen und einen kurzen, furchtbaren Moment lang dem Teufel selbst gegenübergestanden: Inmitten des dichten Wäldchens hatte schwarz der knorrige und verdrehte Umriss … eines verbrannten Baumstumpfs gestanden.
    Der Weg durch den Wald zum Krater kam ihm nun kürzer vor als kürzlich im Dunkeln, und er staunte, wie schnell er an Ort und Stelle war. Joe wusste, dass es im und um den Krater nichts gab, was nicht bereits untersucht, getestet oder fotografiert worden war. Das offizielle Ergebnis des vom Sheriffbüro des Twelve Sleep County und von den staatlichen Ermittlern unterzeichneten Berichts bestätigte Barnums ursprüngliche Theorie, Woods habe versehentlich Sprengstoff zur Explosion gebracht, weil er sich damit nicht auskannte. Man hatte auch herausgefunden, dass er die Frau in seiner Begleitung erst drei Tage zuvor geheiratet hatte. Ein Friedensrichter aus Ennis, Montana, hatte die Heiratsurkunde präsentiert.
    Joe umrundete den Krater betont langsam. Die toten Rinder waren längst weggeschafft. Kiefernnadeln bedeckten teilweise die nackte Erde des Lochs. Einige blasse Grashalme waren die ersten Soldaten, die das Gebiet zurückeroberten. Die freigelegten Wurzeln, die im Dunkeln so weiß und zart gewirkt hatten, waren hart geworden oder hatten sich wieder in die Erde gedrückt.
    Wenn Joe sich Bäume und Äste im richtigen Licht ansah, konnte er noch Reste getrockneten Bluts erkennen, doch Regen, Insekten, Vögel und Nagetiere hatten die Rinde fast völlig gesäubert. In einigen Jahren, dachte er, würden Wanderer und Jäger die Senke auf dem Weg zwar bemerken und sie umgehen, falls Wasser darin stehen sollte, doch es wäre nichts Bemerkenswertes mehr daran.
    Bisher hatte er nichts gesehen, was ihn das damalige Gefühl, beobachtet zu werden, hätte vergessen

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