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Wilde Flucht

Wilde Flucht

Titel: Wilde Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Nachmittag nach Hause fuhr, rief er per Handy bei Bezirksstaatsanwalt Robert Hersig an, erreichte aber nur den Anrufbeantworter. Joe schilderte ihm knapp den Verdacht, den er hinsichtlich Jim Finottas Wapitikopf hegte, und berichtete, was er vom Präparator Matt Sandvick erfahren hatte.
    » Ich bin bereit, Finotta anzugehen, brauche dafür aber Sandvicks eidesstattliche Erklärung und grünes Licht von Ihnen«, sagte er zum Schluss.

14
    Zu Joes Überraschung hatte Marybeth bei seiner Rückkehr beide Pferde gesattelt in der Koppel stehen. Sie zäumte gerade ihren Schecken Toby auf, sah Joe herausfordernd an und sagte: » Lass uns reiten.«
    » Klingt verlockend«, erwiderte Joe lächelnd.
    Er ritt seine Buckskin-Stute Lizzie, die dem Wallach gern folgte, und sie nahmen die Serpentinen des alten Wildwechsels hinter ihrem Haus den Sandrock Draw hinauf.
    Beim Reiten beobachtete Joe seine Frau und ihr Pferd und bewunderte beide. Marybeth hatte sich im Vorjahr für Pferde zu interessieren begonnen, und er hatte durch sie viel über die Tiere gelernt. Zuvor hatte er über Pferde wie über Geländewagen gedacht. Ein Pferd war ein Werkzeug, ein Mittel, um dorthin zu gelangen, wohin keine Straße führte, und sich in unwegsamem Gelände zu bewegen. Seiner Meinung nach war ein Quad einem Pferd in vielem, wenn nicht allem überlegen. Zwar kostete die Anschaffung etwa das Gleiche, doch ein Pferd bedurfte täglicher Pflege und Versorgung; Quads konnte man in der Garage abstellen und vergessen. Heu, Getreide und Tierarztrechnungen kamen teuer, und Pferde machten auf der Koppel ständig etwas kaputt oder verletzten sich auf unmögliche Weise; Quads standen nur da. Wenn zufällig ein Nagel in der Koppel landete, trat ein Pferd bestimmt drauf, fraß ihn oder verletzte sich damit, wenn es sich wälzte. Man konnte sich darauf verlassen, dass Pferde Dinge fraßen, die sie krank werden ließen, gesunde Kost dagegen kaum anrührten. Sie waren wunderbar proportioniert und muskelstark, doch ihr mächtiger Leib lastete auf dünnen, knochigen Beinen, die jederzeit brechen konnten und das gelegentlich auch taten. Und trotz seiner Größe und Kraft war das Pferd ein Beutetier. Bei echten Bedrohungen wie einem Grizzly oder vermuteten Gefahren wie einem Motorradfahrer auf einer Nebenstraße oder bloß einer Plastiktüte im Wind konnte es durchgehen wie eine Rakete. Die meisten verletzten Jäger, die Joe in den Bergen angetroffen hatte, waren von Pferden verwundet worden. Er konnte kaum schätzen, wie oft sie einfach aus Camps oder improvisierten Koppeln ausgerückt waren. Lizzie war mal kilometerweit weggetrabt, als Joe abgestiegen war, um durchs Fernglas zu schauen, und er hatte sie den Rest des Tages über zu Fuß verfolgen müssen. Quads dagegen hatten zwar mitunter kein Benzin mehr oder gingen kaputt, aber das kam eher selten vor.
    Durch Marybeth jedoch hatte Joe anders über Pferde zu denken begonnen. Sie war streng zu ihnen, hegte und pflegte sie aber und brachte ihren Charakter zum Vorschein. Toby war ein ungestümer junger Wallach gewesen – nie böse oder gefährlich, aber ungesellig und unwillig zu tun, was er nicht wollte, doch sie hatte monatelang mit ihm gearbeitet. Anders als Reiter alter Schule, die rasch die Peitsche oder ein Stück Holz nahmen, hatte Marybeth Toby » gebeten«, bestimmte Dinge zu tun, und schließlich hatte er sie getan. Erstaunlich, dass eine Frau von Marybeths Körpergröße das Vertrauen und den Respekt eines massigen faulen Wallachs wie Toby hatte erringen können, der fünfhundert Kilo wog. Sie und ein Impuls seines trüben, instinktgeleiteten Herdentierverstands schienen ihn davon überzeugt zu haben, dass Marybeth größer und dominanter war als er.
    Jahrelang hatte Joe seine Lizzie nur benutzt und nicht geritten. Sie war ein gutes Pferd, das zwar bisweilen Schwierigkeiten machte, insgesamt aber sanftmütig war. Er hatte Glück gehabt, dass sie so einfach zu handhaben war, denn er war kein geborener Reiter. Durch das Beobachten und Bewundern von Marybeth hatte er wirkliche Reiter und Reiterinnen langsam zu schätzen gelernt. Und Pferde.
    Und für das Gefühl, das er bekam, wenn er ein Pferd ritt, sprach mancherlei.
    Dieses Gefühl – Marybeth sprach von » mentaler Verbindung« und von » Einssein mit dem Pferd« – ließ sich auf Quads nicht übertragen.
    Sie erklommen die Sandrock Draw und kamen auf einen grasigen Hügelkamm voller Findlinge. Die Bighorns und ihre von einem dichten Fell

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