Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wilde Flucht

Wilde Flucht

Titel: Wilde Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
als Stewie ausgegeben und gesagt, er wolle mich wiedersehen.«
    » Bist du sicher, dass es der Journalist war?«
    Marybeth hob die Hände. » Er muss es gewesen sein.«
    Joe trug die Sättel zu den Sattelbäumen und hängte die feuchten Pferdedecken zum Trocknen über eine Stange.
    » Hat er sich denn wie Stewie angehört?«
    Marybeth antwortete leicht belustigt: » Ich habe seit Jahren nicht mit Stewie Woods gesprochen. Die Stimme klang ihm irgendwie ähnlich, hörte sich aber nicht richtig an. Als habe jemand versucht, sie nachzumachen.«
    Joe hielt inne, dachte nach und griff sich dabei in einer Weise ans Kinn, die die Mädchen stets flüstern ließ: » Dad denkt nach!«
    » Es war unheimlich«, fuhr Marybeth fort. » Ich hab einfach aufgelegt.«
    » Leg nächstes Mal nicht auf«, sagte Joe. » Lass ihn reden, bis du weißt, wer es ist. Und sollte ich hier sein, gib mir Bescheid, damit ich vom zweiten Anschluss aus mithören kann.«
    Marybeth war einverstanden, und sie gingen zum Haus zurück. Ehe sie die Tür öffneten, nahm Joe ihre Hand und drückte sie.
    An diesem Abend lag Joe mit hinterm Kopf gefalteten Händen und aus der Decke geschobenem, senkrecht angezogenem Bein lange im Bett wach. Es war der erste warme Frühsommerabend gewesen, und es hatte noch nicht abgekühlt. Das Schlafzimmerfenster war geöffnet, und ein Luftzug blähte die Vorhänge.
    » Bist du wach?«, flüsterte er Marybeth zu.
    Sie brummte leise, drehte sich um und sah ihn an.
    » Manchmal wäre ich gern klüger«, meinte er.
    » Warum sagst du das?« Ihre Stimme klang heiser; sie hatte geschlafen. Marybeth hatte einen leichten Schlaf – ein Überbleibsel aus der Zeit, als die Kinder noch klein gewesen waren.
    » Du bist einer der klügsten Männer, die ich kenne«, sagte sie und legte ihm ihre warme Hand auf die Brust. » Deshalb habe ich dich geheiratet.«
    » Aber ich bin nicht klug genug.«
    » Warum?«
    Joe atmete laut aus. » Es geht etwas Großes ringsum vor, doch ich kann die Einzelheiten nicht verknüpfen. Ich weiß, dass da draußen etwas ist, und ich versuche die ganze Zeit, die Dinge von einem anderen Standpunkt aus zu sehen, um es zu erkennen. Aber es gewinnt einfach keine Konturen.«
    » Wovon redest du, Joe?«
    Er hob die Hände und zählte ab: » Stewie Woods, Jim Finotta, Ginger Finotta, dieser Raga und seine Freunde, der Journalist, Hayden Powell, Jim Finott …«
    » Den hattest du schon«, murmelte sie.
    » Der Kerl geht mir auch wirklich auf die Nerven.«
    » Wie auch immer …«, half sie ihm auf die Sprünge.
    » Wie auch immer – wäre ich klüger, dann würde ich durchschauen, wie all diese Leute zusammenhängen. Und es gibt einen Zusammenhang – dessen bin ich mir sicher.«
    » Wie kannst du dir da sicher sein?«
    Er dachte nach und rieb sich die Augen. Der Nachtwind wehte ins Zimmer und ließ die Temperatur auf angenehme Schlafbedingungen fallen.
    » Ich bin es einfach«, erwiderte er.
    Sie lachte leise. » Du bist klüger, als du denkst.«
    » Und du schmierst mir Honig um den Bart, Schatz.«
    » Gute Nacht.« Sie umarmte ihn und drehte sich wieder auf ihre Seite.
    » Das war schön heute Nachmittag«, sagte er. » Danke.«
    » Ich habe zu danken. Und jetzt Gute Nacht.«
    Joe blieb noch eine Weile wach. Er dachte an Ragas Worte: » Die Leute, die das getan haben, werden wiederkommen.« Und er fragte sich, ob er sie erkennen würde.

15
Choteau, Montana
29. Juni
    Charlie Tibbs und der Alte parkten an dem Maschendrahtzaun, der das Rollfeld bei Choteau, Montana, umgrenzte. Im Westen lagen die breiten Höhenzüge der Flathead Range unter einem Himmel, dessen Farbe einer verwaschenen Jeans glich. Ein Morgenregen – einer dieser seltsamen Schauer, bei denen die Wolken sich verzogen haben, ehe die Tropfen die Erde erreichen – hatte den Beton der beiden alten Rollbahnen befeuchtet und die schwarze Motorhaube des Pick-up mit Wasserperlen übersät.
    Gut einen Kilometer entfernt öffnete sich das Tor des zweiten von vier kleinen privaten Hangars. Charlie Tibbs setzte das Fernglas an die Augen. Er würde kommentieren, was geschah.
    » Sie haben das Tor geöffnet.«
    » Das sehe ich«, sagte der Alte.
    Er fühlte sich – wenn das denn möglich war – noch elender als in der Woche zuvor. Zwar hatten sie in einem Fernfahrerlokal etwas Anständiges gegessen (es hatte Steak, Kartoffelbrei, Mais, Apfelkuchen und Kaffee gegeben) und auf dem Weg nach Choteau eine Pause eingelegt und in einem Motel in Lewistown übernachtet,

Weitere Kostenlose Bücher