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Wilde Flucht

Wilde Flucht

Titel: Wilde Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Wald krachen.
    Zitternd griff er nach seinem Funkgerät.

2
    Zwölf Kilometer außerhalb von Saddlestring, Wyoming, sah Jagdaufseher Joe Pickett seiner Frau Marybeth bei der Dressur des neuen Tobianoschecken Toby zu, als das Sheriffbüro des Twelve Sleep County anrief.
    Es war früher Abend, die Zeit, wenn die untergehende Sonne sich zu einem weich gezeichneten Ballon blähte und die tiefen, samtigen Geländeeinschnitte und die gegen den Himmel abstechenden Wälder an den Hängen des Wolf Mountain klar hervortreten ließ. Die sonst matten Pastelltöne der verwitterten Scheune und der rotwandige Canyon hinterm Haus wirkten plötzlich wie in grellen Acrylfarben gestrichen. Toby – ein großer, dunkelbrauner Wallach mit schneeweißen Hautpartien, die ihm über die Hüften liefen wie dicke, aufwärtsfließende Farbe – glänzte in der Abendsonne tiefrot und sah in diesem Licht umwerfend aus. Genau wie Marybeth in ihrer abgetragenen Jeans, dem ärmellosen Baumwollhemd und dem blonden Pferdeschwanz, fand Joe. Es war windstill, und nur das rhythmische Schlagen von Tobys Hufen in der runden Koppel war zu hören, während Marybeth die Peitsche schwang, um den Wallach vom Trab in langsamen Galopp wechseln zu lassen.
    Die Jagd- und Fischereibehörde behandelte Saddlestring als Zwei-Pferde-Bezirk, stellte also Futter sowie Sattel- und Zaumzeug für zwei Patrouillenpferde zur Verfügung. Toby war ihr zweites Pferd.
    Joe hatte den Stiefel auf die untere Zaunlatte gestützt, die Arme auf der oberen Latte verschränkt und das Kinn auf die Unterarme gelegt. Noch immer trug er das rote Baumwollhemd seiner Uniform mit dem Pronghorn-Logo am Ärmel und seinen schweißfleckigen grauen Stetson. Er spürte die Erde zittern, wenn Toby bei seinen Runden an ihm vorbeikam, und beobachtete Marybeth, die aufmerksam in der Mitte der Koppel stand und sich langsam herumdrehte, um stets auf gleicher Höhe mit Tobys Hinterflanke zu sein. Sie sprach begütigend auf das Pferd ein, um es zum Galopp zu ermuntern, in den das Tier offenkundig nicht fallen mochte.
    Marybeth trat näher an Toby heran und befahl ihm zu galoppieren. Sie hinkte noch ein wenig, da sie fast zwei Jahre zuvor angeschossen worden war, doch sie war wendig und schnell. Toby legte die Ohren an und zuckte mit dem Schwanz, fiel aber endlich in einen richtigen Galopp und wirbelte den Staub in der Koppel auf, während ihm Mähne und Schwanz nachflatterten wie Fahnen im steifen Wind. Nach einigen Runden rief Marybeth: » Ho!«, und Toby kam rasch, schlitternd und heftig atmend zum Stehen; seine Muskeln waren geschwollen, sein Rücken glänzte vor Schweiß, und er schmatzte und leckte sich die Lippen, als fräße er Erdnussbutter. Marybeth trat zu ihm, tätschelte ihn, sagte, was für ein braver Junge er sei, und blies ihm sanft in die Nüstern, um ihn zu beruhigen.
    » Er ist ein sturer Kerl. Und faul ist er auch«, rief sie Joe über die Schulter zu, während sie Toby weiter tätschelte. » Er wollte einfach keinen Galopp gehen. Hast du gesehen, wie er die Ohren angelegt und den Kopf geworfen hat?«
    Joe bejahte.
    » So hat er mir seine Verärgerung gezeigt. In diesem Fall wird er entweder aus dem Kreis ausbrechen und tun, was er will, oder er wird machen, was ich von ihm verlange. Diesmal hat er getan, was er tun sollte, und zu galoppieren begonnen. Er lernt allmählich, dass die Dinge für ihn sehr viel leichter werden, wenn er tut, was ich von ihm verlange.«
    Joe lächelte und sagte: » Das gilt auch für mich.«
    Marybeth rümpfte die Nase und wandte sich wieder Toby zu. » Siehst du, wie er sich die Lippen leckt? Das ist ein Zeichen von Gehorsam. Er erkennt an, dass ich der Boss bin.«
    Joe unterdrückte das Bedürfnis, sich theatralisch die Lippen zu lecken, als sie ihn wieder ansah.
    » Warum hast du ihm in die Nüstern geblasen?«, wollte er wissen.
    » In der Herde zeigen Pferde dadurch ihre Zuneigung. Es ist ihre Art, sich anzufreunden.« Marybeth hielt inne. » Ich weiß, es klingt kitschig, aber ihm in die Nase zu blasen ist wie eine Umarmung – eine Pferdeumarmung.«
    Joe war begeistert von dem, was Marybeth tat. Er hatte den Großteil seines Lebens mit Pferden zu tun gehabt und seine Buckskin-Stute Lizzie über die meisten Pässe im Twelve Sleep-Gebiet der Bighorn Mountains geritten. Doch was Marybeth mit Toby tat und was sie ihm alles ansah, war von anderem Kaliber, und Joe war entsprechend beeindruckt.
    Ein Ruf in seinem Rücken riss ihn aus seinen Gedanken. Er drehte

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