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Wilde Flucht

Wilde Flucht

Titel: Wilde Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
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dass Joe zusammenfuhr. Der Sheriff war so still gewesen, dass er seine Anwesenheit fast vergessen hatte. Nun blickte Joe zu Barnum hinüber, der ein paar Meter entfernt stand und seine Taschenlampe auf etwas vor seinen Füßen richtete. » Hier liegen zwei enorm große Wanderschuhe. Die Schnürsenkel sind aufgeplatzt.«
    Der Sheriff hielt inne und sah zu Joe rüber. » Ich denke, den armen Kerl, dessen Füße da drin gesteckt haben, hat es in die Luft gerissen.«
    Erst weit nach zweiundzwanzig Uhr hatten sie das Gelände mit Absperrband gesichert. Die Wolken, die die Berge verhüllt und den Blick zum Himmel wie ein Topfdeckel blockiert hatten, waren einem Flor blauweiß funkelnder Sterne gewichen, die wie eine Million Nadelspitzen aus einem dunklen Tuch zu stechen schienen. Der Mond stand als bloße Sichel am Firmament und spendete nur wenig Licht, so dass Joe und McLanahan mit unter die Achsel geklemmter Taschenlampe unbeholfen zwischen den Bäumen und um sie herum mit Rollen von Plastikband hantierten, auf denen Crime Scene stand, während Barnum vergeblich die Zentrale anfunkte. Joe fragte sich, wie viele Beweismittel sie hier zerstörten oder durcheinanderbrachten, und sagte Barnum das auch, doch der war vollauf damit beschäftigt, sein Büro zu erreichen, und winkte nur ab.
    » Wir sind zu einer vom Feuerwächter gemeldeten Explosion gefahren und stecken nun in einer ausgewachsenen Morduntersuchung«, knurrte er zwischen heftigen statischen Störgeräuschen ins Funkgerät. » Wir brauchen schnellstens die Spurensicherung, und bei Sonnenaufgang müssen auch der Gerichtsmediziner und ein Fotograf hier sein. Wir sehen nicht das Geringste.«
    » Wie war das bitte?«, fragte die Telefonistin. Die Störgeräusche waren nun noch lauter.
    » Sie hört kein Wort von dem, was ich sage«, schimpfte Barnum.
    » Warum warten Sie nicht und versuchen es später vom Funkgerät im Wagen noch mal?«, fragte McLanahan. Joe dachte das Gleiche.
    Barnum fluchte und schob sein Funkgerät ins Holster. » Ich geh schiffen; danach verschwinden wir hier.« Er drehte sich um und humpelte ins dunkle Unterholz.
    Joe wickelte das Absperrband um einen harzverklebten Stamm, kappte es, zog die Taschenlampe unter der Achsel hervor und richtete sie auf seine Stiefel. Sie waren blutverschmiert.
    » Ach du Scheiße!«, tönte Barnum aus der Finsternis. » Hier liegt eine Leiche – oder zumindest die Hälfte davon. Ein Mädchen. Eine Frau, meine ich.«
    » Welche Hälfte?«, fragte McLanahan dümmlich.
    » Schnauze«, gab Barnum barsch zurück.
    Joe wollte sich die Tote nicht anschauen. Er hatte für diesen Abend genug gesehen. Dass Barnum um das Absperrband herum auf ihn zugehumpelt gekommen war, so rasch er konnte, bemerkte er erst, als der Sheriff einen halben Meter vor ihm stehen blieb und ihm mit dem Zeigefinger drohte. Joe wusste nicht, ob Barnum wirklich böse war oder mal wieder eine seiner berühmten Szenen hinlegte. Wie auch immer: Der hautnahe Auftritt vergegenwärtigte ihm, wie achtunggebietend Barnum auch nach sechsundzwanzig Jahren als Sheriff von Twelve Sleep County noch immer war.
    » Warum, Jagdaufseher Pickett, gibt es in meinem Bezirk so gut wie nie Probleme, aber jedes Mal, wenn wir Leichen im Gelände finden, stehen Sie mitten zwischen den Toten?«, fragte Barnum mit immer lauter werdender Stimme.
    Joe war über den plötzlichen Wutausbruch des Sheriffs erstaunt. Offenbar hatte Barnum sich also seit einiger Zeit darüber geärgert, dass Joe den Mord an den Jagdausrüstern aufgeklärt hatte. Ihm fiel allerdings keine schlagfertige Antwort ein. Er spürte sich nur im Dunkeln erröten.
    » Sie haben mich doch herbestellt, Sheriff«, sagte er.
    Barnum lächelte höhnisch. » Ich dachte ja auch, hier lägen nur tote Wapitis rum.«
    Er wandte sich unvermittelt ab und humpelte Richtung Autos davon. McLanahan zockelte ihm brav nach, nachdem er Joe einen ungemein befriedigten Blick zugeworfen hatte. Joe fragte sich, womit er Barnum so aufgebracht haben mochte. Vermutlich war es genau so, wie der Sheriff gesagt hatte: Seine bloße Anwesenheit genügte bereits. Der neue Jagdaufseher, der erst seit zwei Jahren in Saddlestring amtierte und noch grün hinter den Ohren war, war erneut in einen Mordfall geraten. Oder in einen Fall von Selbstmord. Oder so.
    Von den Bluttaten an den Ausrüstern abgesehen, hatte es in den letzten beiden Jahren im Twelve Sleep County kaum gewaltsame Todesfälle gegeben. Bemerkenswert war lediglich die Frau eines

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