Wilde Flucht
ein Navigationsgerät verzichten zu können.
Ihre Auftraggeber hatten sie mit einer Kassette voller Bargeld ausgestattet, in der Tausende von Dollar in gebrauchten Scheinen lagen. Charlie behielt ihre Ausgaben im Auge, aber es gab nichts, was sie sich nicht jederzeit hätten kaufen können. Sie bezahlten alles in bar, und die Kassierer verhielten sich oft, als wüssten sie nicht, was sie tun sollten, wenn Charlie beispielsweise vierhundert Dollar in Banknoten auf den Hoteltresen blätterte, um ihre Zimmer zu bezahlen. Nirgendwo hinterließen sie belastende Unterlagen wie etwa Kreditkartenquittungen.
Nachdem Charlie Tibbs zum Leiter der gesamten Operation bestimmt worden war, hatte er den Alten für den Auftrag empfohlen, der daraufhin mitten in der Nacht von einem Mann aufgesucht worden war, welcher seinen Namen nicht hatte nennen wollen. Als der Alte sagte, er wolle gern mehr erfahren, war ein Treffen mit Charlie Tibbs in der Filiale einer Restaurantkette vereinbart worden. Tibbs erzählte ihm, ihre Auftraggeber hätten mindestens sechs Männer und möglichst zwei Teams haben wollen, doch er habe sie davon überzeugt, zwei erfahrene Männer könnten alles erledigen. Seither hatte nur Charlie Tibbs in Verbindung mit ihren Auftraggebern gestanden. Der Alte durfte absichtlich nicht an diesen Gesprächen teilnehmen, um die Zahl derer, die an der Planung der Aktionen beteiligt waren, möglichst gering zu halten. Es war klar, dass Charlie mit dem Mittelsmann reden würde, der sich dann direkt an ihre Auftraggeber wandte. Bis auf die technischen Einzelheiten der gerade anstehenden Aktion wurde der Alte im Unklaren gelassen. Er war damit einverstanden gewesen, wünschte sich nun aber, er hätte eine bessere Vorstellung davon, was da im Ganzen eigentlich geschah. Offenkundig töteten sie bekannte Umweltschützer. Aber wie viele? Und wie lange noch? Er hatte erwartet, ihre Arbeit würde ungefähr zwei Wochen dauern, und nun waren sie bereits den zweiten Monat damit beschäftigt.
Er wusste nicht, was Charlie Tibbs ihren Auftraggebern über ihn erzählt hatte, und er fragte sich, ob seine jüngsten Zweifel und Klagen weitergeleitet wurden. Charlie konnte ehrlich sagen, dass der Alte seine Arbeit in letzter Zeit recht widerwillig erledigt hatte. Würden sie ihn ablösen, falls seine Klagen zu laut wurden? Würden sie ihn auszahlen? Würden sie Charlie Tibbs hinter ihn treten und ihm eine Kugel in den Kopf schießen lassen?
Der Alte hatte an der Zurechnungsfähigkeit von Charlie Tibbs zu zweifeln begonnen. Einer der Gründe dafür war, dass Tibbs kürzlich darauf bestanden hatte, beim Fahren immer wieder eine CD des Musicals Oklahoma! zu spielen. Tibbs hatte aus vollem Halse mitgesungen. Und auch vor Emily Betts’ Absturz schien Charlie seinen Auftrag viel zu gern zu erledigen. Er genoss, was sie da taten. Es war, als habe er nun Gelegenheit, einem lebenslang angestauten Zorn Luft zu machen, und als würde er dabei ungeheure Lust empfinden. Er war besessen und unerbittlich. Er glaubte an diese Sache, und zwar sogar – wie er gesagt hatte – mehr als ihre Auftraggeber. Und er schlief noch immer nicht.
Charlie stieg aus dem Pick-up und gab dem Alten durch den Zaun ein Zeichen.
Ächzend und sehr langsam kam der Alte aus dem Becken, trottete an den Zaun und hinterließ nasse Spuren auf den Steinen. Seine Haut war im heißen Wasser grellrosa geworden. Als er sich Charlie näherte, beugte er den nassen Kopf, um zuzuhören.
Tibbs sprach leise. » Sie haben den Anwalt ausfindig gemacht – wir müssen also los.«
» Sag mir bitte, dass er in der Nähe ist«, sagte der Alte, der eine weitere Reise durchs ganze Land fürchtete.
» In Yellowstone«, gab Charlie zurück. » Also sehr nah.«
» Im Park?«
Charlie nickte.
» Und dann sind wir fertig?«, fragte der Alte hoffnungsvoll.
» Nicht ganz.«
Der Alte hatte das Gefühl, Charlie habe durch den Zaun gegriffen und ihm einen Schlag gegen den Kopf verpasst. Charlie wusste, wie der Alte darüber dachte. Er hatte es Charlie in den letzten Tagen unzählige Male gesagt: Er wollte, dass dieser Auftrag vorbei war.
Der Alte schüttelte den Kopf. » Ich glaube nicht, dass unser Glück ewig anhält, Charlie. Sie können nicht immer mehr Opfer auf die Liste setzen. Das dürfen sie einfach nicht.« Seine Stimme klang gequält.
» Nur noch einen nach dem Anwalt«, sagte Charlie. » Und rede bitte leise.«
Der Alte sah auf. Charlie taxierte ihn kühl, und unter diesem vernichtenden
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