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Wilde Flucht

Wilde Flucht

Titel: Wilde Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Jacken und Schuhe. Joe gab Marybeth gestisch zu verstehen, er werde die drei zum Bus bringen, öffnete die Haustür, winkte dem Fahrer und scheuchte die Mädchen zum Gartentor. Sheridan gab ihm mit einem Blick zu verstehen, dass sie langsam ein wenig zu alt war, um sich scheuchen zu lassen. Der Fahrer, ein Holzfäller in Rente namens Stiles, beugte sich aus der Tür und fragte Joe, wie die Maultierhirschzählung dieses Jahr in seinem Bezirk ausgefallen sei.
    » Das muss bis morgen warten«, sagte Joe, um Stiles keine allzu schroffe Abfuhr zu erteilen. » Ich muss mich drin im Haus dringend um etwas kümmern.«
    Stiles winkte ab, und Joe rannte buchstäblich wieder ins Haus. Als er in die Küche kam, legte Marybeth gerade mit großen, ungläubigen Augen den Hörer behutsam auf die Gabel.
    Die beiden sahen sich einfach nur an.
    » Ist das wirklich passiert?«, fragte Joe schließlich.
    Marybeth schüttelte fassungslos den Kopf.
    » Er will mich Samstag treffen«, sagte sie. » Ich habe den Weg aufgeschrieben.«
    » Das ergibt einfach keinen Sinn«, sagte Joe mehr zu sich als zu ihr. » Ich war an dem Ort, an dem er gestorben ist.«
    Marybeth lächelte abgründig. » Joe, Stewie hat gesagt, er sei in die Luft geflogen. Aber er sei wiedergeboren.«
    » Das hat er wirklich gesagt?«
    Sie nickte und kam auf Joe zu.
    An diesem Abend sah Marybeth vom Ausgabetresen der Bücherei aus den Transporter der V/U-Ranch mit Rollstuhllift auf den Parkplatz gefahren kommen. Der Anblick des Wagens ließ sie erstarren und mit zum Tippen bereiten Fingern über der Tastatur des Computers innehalten. Langsam wandte sie den Kopf zur Tür und stellte sich auf Ginger Finotta und Buster ein. Doch Ginger kam nicht, und der Transporter war nicht mehr zu sehen.
    Stattdessen hörte Marybeth im Nebenzimmer Bücher mit metallischem Geräusch in den vom Auto aus zu erreichenden Rückgabekasten fallen. So vertraut ihr dieser Lärm auch war: Sie schrak dennoch zusammen.
    Sie wartete, bis der Transporter weggefahren war, und rührte sich erst, als das Motorengeräusch verschwunden war. Dann beendete sie rasch ihren Eintrag und ging nach nebenan. Auf dem Rückgabestapel lag die alte, ramponierte Ausgabe von Der Viehdetektiv Tom Horn und seine Zeit.

20
Yellowstone-Nationalpark, Wyoming
5. Juli
    Als der Abend dämmerte, erkannte der Alte, dass er wirklich böse geworden war.
    Der Sonnenuntergang hatte damit nichts zu tun. Die schwere Abendsonne hatte einen breiten Bronzestreifen ins hohe Büffelgras der Lichtung unter ihnen gemalt und war durch die Drehkiefern gedrungen, die die Lichtung wie eine dürre Koppel umgaben. Sanfte, kaum spürbare Brisen strichen wie sanfte Wellen durchs Gras. Die Luft duftete nach Kiefer und Salbei, doch mitunter war ein Schwefelhauch auszumachen, der dort, wo sie just mit ihren Pferden durch die sumpfige Ebene voll heißer Quellen geritten waren, aus sickernden, neu geschaffenen Löchern drang. Und es gab einen weiteren Geruch: den nach leicht ranzigem Schweinefleisch.
    Stunden zuvor hatten sie den Anwalt Tod Marchand in der Nähe seines Zelts am Nez Perce Creek ausfindig gemacht. Marchand war bemerkenswert einfach zu finden gewesen. Er hatte sich tags zuvor in der Rangerstation am Südeingang des Nationalparks registriert und notiert, wo er zelten wollte. Tibbs hatte den Eintrag entdeckt, während der Alte mit der Rangerin geplaudert und die Formulare ausgefüllt hatte, die ihnen erlaubten, den neu erworbenen Pferdehänger samt Tieren durch den Park zu fahren.
    Sie waren kurz nach Mittag auf Marchand zugeritten gekommen, als der seinen Teller mit biologisch abbaubarer Seife säuberte. Der Anwalt hatte über die Schulter gesehen, als er die Pferde kommen hörte, und sich gerade rechtzeitig erhoben und umgedreht, damit Tibbs ihm den Stutzen seines Gewehrs mit voller Wucht auf den Kopf schlagen konnte.
    » Anwalt, treten Sie vor den Richter«, hatte er ohne jede Erklärung gesagt, als Tod Marchand ins Gras stürzte.
    Sie hatten Marchand geknebelt, an Händen und Füßen gefesselt, auf den Sattel des Alten geworfen und die Pferde weit vom Wanderweg und vom Bach weg in die Bäume hinaufgeführt – fort von dort, wo Wanderer vorbeikommen mochten.
    Jenseits der Ausflugsrouten – also abseits der beiden Rundstraßen, die als obere und untere Schleife eine Acht bildeten – war der Yellowstone-Park überaus wild und erstreckte sich bemerkenswert weit. Als sie in den Wald hinauf und über einen Hang ritten, verebbten die Geräusche

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